Return to Ländle: „Cooking with a Ländle-Accent“

Return to Ländle: „Cooking with a Ländle-Accent“
Andrea Milstein

In ihrer „essküche“ in Götzis will Andrea Milstein (jungen) Menschen das Kochen und Essen beibringen – unter anderem bei mehrtägigen Kochkursen mit Lehrlingen, in den Sommerferien auch für Jugendliche auf Englisch. Außerdem veranstaltet sie Kochevents für Firmen und Gruppen. Als Verfechterin einer gesunden Ernährungsweise hatte es die weitgereiste Mutter von zwei mittlerweile erwachsenen Kindern nicht immer leicht: In Hong Kong als auch in den USA musste sie sich auf die Suche nach Dinkel (und anderen gesunden Bioprodukten) machen – mit Erfolg. Vor eineinhalb Jahren kehrte Milstein mit ihrem Mann in die Heimat zurück. Ein Gespräch über sinnvolle Ernährung, organic farmers und warum wir hier eigentlich im Schlaraffenland leben.

Sie sind in gewisser Weise das „Paradebeispiel“ einer Weltenbummlerin: Zehn Jahre Hong Kong und Bangkok, danach 16 Jahre Washington DC. Woher diese „Fernsucht“?
Ich war schon vor der Matura (Anm.: HTL für Textiltechnik, Bekleidungstechnik und Mode) jeweils ein Jahr in London und Paris. Damals wurde mir klar, dass ich später einmal ins Ausland gehen möchte. Nach dem Sprachstudium habe ich eineinhalb Jahre in Liechtenstein gearbeitet, dann bewarb ich mich für einen Job in Hong Kong bei einer international tätigen Textile-Trading-Company. Langzeitpläne hatte ich keine, aber kaum angekommen, habe ich einen sehr attraktiven jungen Amerikaner kennengelernt, der dort als Jurist tätig war – zwei Jahre später haben wir geheiratet.

Wie schön! Und wer von beiden wurde dann nach Bangkok „versetzt“?
Beide. Nach knapp vier Jahren wurden wir ungefähr zur selben Zeit gefragt, ob wir Lust auf einen Ortswechsel hätten. Da wir Bangkok bereits kannten und mochten, fiel uns die Entscheidung nicht schwer. Meine große Vorliebe für die Thai Küche entstammt übrigens dieser Zeit. Unsere hervorragende Köchin Lumjay war die bestmögliche Lehrmeisterin und weihte mich in die Geheimnisse der thailändischen Küche ein. Nach zwei Jahren ging es aber wieder zurück nach Hong Kong, wo wir mit unseren beiden Kindern vier weitere Jahre verbracht haben.

Waren Sie eine „working mom“?
Anfänglich nicht, denn ich wollte mich um die Kinder kümmern, obwohl ich gleichzeitig wusste, dass ich in nicht zu ferner Zukunft wieder arbeiten wollte, allerdings auf einem anderen Gebiet als bisher.

Danach ging es in die USA – ohne Zwischenstopp im Ländle?
Mein Mann hat ein sehr attraktives Jobangebot von der US-Regierung bekommen. Der Bezug zu Vorarlberg war aber immer da: Etwa ein bis zwei Mal im Jahr waren wir hier. Ich habe meist den ganzen Sommer mit den Kindern in Europa verbracht, zudem war mein Mann einmal im Monat beruflich in England und Deutschland. Es war mir wichtig, dass die Kinder zweisprachig aufwachsen – in Hong Kong etwa waren sie auf einer Deutsch-Schweizerischen Schule.

In Washington haben Sie sich dann gedacht: „Mach Dein Hobby zum Beruf!“
Na ja, ich habe mein Interesse für Kochen und gesunde Ernährung vertieft. Ich komme aus einer Familie, in der sehr viel Wert auf Essen gelegt wird, wobei interessant ist, dass niemand übergewichtig ist. Meine Mama ist eine sehr begabte Gärtnerin und Köchin und entsprechend gab und gibt es bei uns gesunde, regionale Küche. In Hong Kong hatte ich meine eigene Getreidemühle, weil ich Vollkornbrot und Vollkornkuchen backen wollte. Die Suche nach Dinkel war zwar etwas schwierig, aber letztendlich habe ich ihn gefunden. Als ich bei einem Kindergeburtstag einen Dinkel-Apfel-Kuchen gemacht habe, hat sich jeder gewundert, was das sein soll. Die Asiaten essen ja so gut wie kein Getreide.
Auch in den USA musste ich mich erst auf die Suche nach Dinkel machen, was wiederum nicht ganz einfach war. Ich konnte dann aber einen Biobauern in Pennsylvania dazu überreden, Dinkel anzubauen, was einigermaßen erfolgreich war, obwohl das Klima eigentlich zu warm dafür war. Mit der Zeit haben sich einige Familien angeschlossen und das hat zu einem relativ konstanten Absatz für den Bauern geführt.

Sie haben aber auch „Cooking with an Accent“ gegründet und unter anderem Kochkurse und Ernährungsseminare veranstaltet.
Stimmt, wobei sich das eher nach und nach entwickelt hat. Unsere Zeit in Südostasien hatte ich dazu genutzt, mich intensiv mit der asiatischen Küche zu beschäftigen. Anfänglich bot ich größtenteils Dinkel-Kurse an, dann sprach sich meine Begeisterung für die Thai- und indische Küche herum. Zudem belegte ich regelmäßig Vorlesungen im Bereich der Ernährungswissenschaften. Ich hatte auch einige Fernsehauftritte in einem regionalen TV-Sender, wo ich sozusagen als Expertin für gesunde Ernährung und Dinkel zu zahlreichen Kochshows eingeladen wurde.

Und was hatte es mit den unpasteurisierten Milchprodukten auf sich?
Unpasteurisierte Milchprodukte haben einen viel höheren Nährwert, sind in den meisten amerikanischen Bundesstaaten jedoch verboten. Also haben wir eine Einkaufs-Coop gegründet und Milch und Joghurt, aber etwa auch Eier und Fleisch direkt beim Bauern bezogen. Die Milch und das Fleisch mussten als Tiernahrung deklariert werden, um überhaupt legal zu sein, was total widersinnig war. Immerhin war unser Bauer nach einiger Zeit im Stande, vom Nebenerwerbsbauern zum Vollerwerbsbauern zu werden. Als wir vor eineinhalb Jahre hierhergezogen sind, habe ich die Leitung der Coop einer Bekannten übergeben und sie hat sich mittlerweile sogar vergrößert. Genauso floriert der Bauernmarkt, den ich vor fünf Jahren in Washington gegründet habe.

Da haben Sie ja Einiges bewegt – und das bei den „ungesunden“ Amerikanern!
Na ja, es gibt inzwischen viele derartige Initiativen und ich habe einige davon gestartet. Übrigens gibt es auch in den USA Menschen, die für sinnvolle Ernährung empfänglich sind und die massiven Nachteile einer industriellen Ernährungsweise erkannt haben. Mir fiel auf, dass speziell junge Mütter daran interessiert sind, die Essgewohnheiten ihrer Familien zu verbessern. Generell ist das Bewusstsein für gesunde Ernährung bei der urbanen Bevölkerung größer, was wohl damit zu tun hat, dass sie besser ausgebildet sind und bessere ökonomische Möglichkeiten haben als die Landbevölkerung. Abgesehen davon sind die meisten Bauern in Amerika industrielle Großbauern, weil die Förderungsstruktur so ausgelegt ist: Mais-, Soja- und Weizenbauern werden gefördert. Kleinbauern, also auch Biobauern bzw. organic farmers gehen hingegen leer aus. Trotzdem gibt es immer mehr organische Kleinbauern, meistens idealistische, hervorragend ausgebildete, junge Männer und Frauen, denen es ein Anliegen ist, dass unsere Erde wieder gesünder wird.

Zurück in der Heimat haben Sie da weiter gemacht, wo Sie in den USA aufgehört haben.
Was mein Anliegen angeht, ja: Es geht mir unter anderem darum, dass Kochen als Familienaktivität entdeckt wird und wir uns nicht darauf verlassen, dass berufstätige Mütter die alleinige Verantwortung tragen. Um das zu erreichen, müssen sich aber vor allem junge Leute wieder dafür interessieren, wie richtiges Essen schmeckt. Mit der essküche will ich (junge) Menschen dazu bewegen, das Kochen neu zu entdecken, ihnen die Schwellenangst davor zu nehmen. Im Besonderen geht es mir aber um die Bewusstseinsbildung für frische unverarbeitete Zutaten und die Wertschätzung fürs Essen. Gemeinsam kochen kann großen Spaß machen und die Familie auf unerwartete Weise zusammenbringen. Wenn ich mit der essküche in der Lage bin, einige junge Menschen von den vielen Vorteilen des selber Kochens zu überzeugen, habe ich schon gewonnen. Denn, wer selber kocht, verwendet automatisch bessere Zutaten, hat weniger Gewichtsprobleme und unterliegt weniger oft dem ungesunden Zwang, gesund essen zu müssen, weil man es ja ohnehin schon tut.
Übrigens leben wir hier in Vorarlberg ja wie im Schlaraffenland! Es gibt unzählige Bauern, bei denen man jederzeit ab Hof kaufen kann – das hat viele Vorteile! Schon wenn wir Milch und Eier direkt bei einem Bauern holen, dessen Tiere näher an der Natur sind, bekommen wir ein gesünderes Produkt. Das wiederum wirkt sich positiv auf die lokale Wirtschaft aus.

Sind Sie also wegen der Natur zurückgekommen?
In gewisser Weise schon. Unsere Kinder studieren und sind sehr international ausgerichtet. Da mein Mann und ich begeisterte Mountainbiker und Tourengeher sind – und man dazu in Washington erst einmal ins Flugzeug steigen muss – haben wir uns gesagt: Probieren wir es. Wir haben das jetzt mal auf zehn Jahre angelegt, was dann oder was überhaupt passiert, werden wir sehen.

Factbox
Andrea Milstein (53)
Inhaberin essküche Götzis
Wohnt in Mäder
Verheiratet, zwei Kinder (21 und 22 Jahre)

•    HTL für Textiltechnik, Bekleidungstechnik und Mode (Matura 1980)
•    Sprachstudium in Wien und Innsbruck
•    1986 – 1995: 4 Jahre Hong Kong, 2 Jahre Bangkok, 4 Jahre Hong Kong
•    1995 – 2011: Washington DC („Cooking with an Accent“ uvm.)
•    Seit Oktober 2011: Zurück im Ländle und Inhaberin der essküche

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essküche Götzis

  Dr. Alfons-Heinzle-Str. 4, 6840 Götzis
  Österreich
  info@esskueche.com

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