Marlene Kilga: Are you a real teacher...

Marlene Kilga: Are you a real teacher...
Marlene Kilga

...or are you a language teacher?“ Das ist eine der Fragen, die Marlene Kilga nicht vermisst, wenn sie an die Jahre zurückdenkt, die sie in England verbracht hat. Davor und danach zog es die Feldkircherin jedoch nach Belgien, dazwischen noch ein Jahr nach Kanada und insgeheim sowieso immer zurück in die Heimat. Im Gespräch erzählt die Lehrerin für Deutsch und Englisch sowie Autorin von Kriminalromanen, was Heimweh mit dem Schreiben zu tun hat, warum sie Berge braucht und wieso man bei der zweisprachigen Erziehung streng sein muss.

Wie viel Autobiografisches steckt in Ihrem aktuellen Buch „Ihr letzter Fund“? Schließlich hat Martha viele Jahre in Brüssel gelebt, bis sie nach Feldkirch zurückgekehrt ist.
Natürlich haben Martha und ich Gemeinsamkeiten, zum Beispiel das Heimweh. Deswegen habe ich auch angefangen zu schreiben, denn wenn man schreibt, ist das wie ein interaktiver Film, der im Kopf abläuft und so konnte ich das Heimweh ein bisschen abschütteln. Das mit dem Ehemann stimmt allerdings nicht! Ich bin glücklich verheiratet und habe vor, es noch lange zu bleiben (lacht).

Und warum haben Sie sich für Krimis entschieden?
Einerseits weil ich selbst Krimis mag. Andererseits ist es so, dass man ohnehin nichts Neues erfinden kann. Im Grunde gibt es ja schon alles. Also muss man etwas finden, das einen ausmacht. Es muss auf jeden Fall authentisch sein, denn der Leser merkt sofort, wenn das nicht so ist.

War es für Sie immer schon klar, dass Sie zurückkommen werden oder wurde das Heimweh irgendwann doch zu groß?
Für mich stand von Anfang an fest, dass ich irgendwann wieder nach Feldkirch zurückkehren werde, obwohl ich nach der Matura erst einmal weg wollte. Ich denke, jeder, vor allem jeder junge Mensch sollte einen gewissen Weitblick entwickeln – und das funktioniert eben nur oder zumindest besser fern von der Heimat. Außerdem bekommt man dadurch einfach ein besseres Verständnis für andere bzw. dafür, wie sich Ausländer fühlen. Ich weiß, wovon ich rede – ich war über 20 Jahre einer. Man wird sich aber auch der eigenen Kultur bewusst, denn für den Partizipanten ist die eigene Kultur unsichtbar, weil sie in einem verwurzelt ist. Wir lernen ja schon im Kindesalter viele Dinge, die uns gar nicht mehr bewusst sind und uns erst durch den Einfluss fremder Kulturen wieder auffallen.
Was mir außerdem aufgefallen ist: Vorarlberg ist sehr international und gar nicht so spießig und kleinkariert, wie es heißt bzw. gibt es überall kleinkarierte, spießige Menschen. Der Unterschied ist, dass etwa die Belgier das nie mit dem Ort verbunden haben.

Apropos Belgien: Sie haben dort ja nicht nur studiert, sondern auch die vergangenen zehn Jahre in Belgien gelebt. Und dazwischen waren Sie in Kanada und England. Wie kam denn das alles?
Nun, ich war nach der Matura erst drei Jahre in Wien, habe aber bereits während dieser Zeit meinen Mann kennengelernt und zwar auf einer Reise durch die USA. Tja und nachdem er Belgier war bzw. ist und wir nach zwei Jahren keine Fernbeziehung mehr führen wollten, bin ich zu ihm nach Gent gezogen und habe dort Anglistik und Amerikanistik sowie Germanistik auf Lehramt studiert.
Nach dem Studium wollte ich jedoch unbedingt weg von Belgien, unter anderem weil mir dieses Land viel zu flach war. Und das ist für mich tatsächlich ein Problem, da ich unter Agoraphobie leide – das Gegenteil von Klaustrophobie. Das heißt: Ich habe Angst vor Flächen. Zum Glück war mein Mann durchaus abenteuerlustig und so haben wir die Möglichkeit ergriffen und sind 1999 nach Vancouver.

Allerdings nur für ein Jahr...

Ja, denn obwohl es uns privat gut gefallen hat und wir sehr viele gute Freunde gefunden haben, hat es mit den Jobs einfach nicht geklappt. Abgesehen davon muss man auch bedenken, dass Kanada wirklich sehr weit weg ist. Das ist kein Problem, wenn es einem gut geht und man gesund ist, doch es muss nur irgendetwas passieren – gesundheitlich, finanziell – und diese Distanz wird zum Problem. Es hat daher gut gepasst, dass mein Mann ein Jobangebot in Kent (Anm.: Grafschaft im Südosten von England) bekommen hat. Das ist nämlich nicht ganz so weit weg wie Kanada (lacht).

Und in England hat es dann mit dem Job geklappt?
Ja, wobei es einem als Sprachlehrerin in England nicht gerade gut geht und ich konnte es am Schluss nicht mehr hören, dass ich ständig gefragt wurde: „Are you a real teacher or are you a language teacher?“ Im Prinzip ist es nämlich völlig sinnlos, in England eine andere Sprache als Englisch zu unterrichten, immerhin sprechen dort eigentlich alle ohne Migrationshintergrund, also gut 90 Prozent Englisch und auch sonst auf der Welt kommt man mit Englisch sehr gut durch. Nichtsdestotrotz waren es vier sehr schöne Jahre und wir haben auch unsere beiden Kinder in England bekommen. Als wir uns aber nach einer Schule für unsere Kinder umgesehen haben, war uns klar, dass wir unsere Kinder nicht in England groß ziehen wollen.      

Warum sind Sie erst nach Belgien – und nicht gleich ins Ländle?
Weil mein Mann ein Jobangebot hatte und weil es zum damaligen Zeitpunkt einfach gepasst hat, obwohl ich von Anfang an wusste, dass ich nicht mein restliches Leben in Gent verbringen würde. Es waren zehn schöne Jahre und es tut mir nach wie vor sehr leid, dass ich die Schule, in der ich unterrichtet habe, meine Kollegen und all unsere Freunde zurücklassen musste, als wir diesen Sommer nach Vorarlberg gezogen sind.

Was hat Sie – abgesehen von der Agoraphobie – noch in die Heimat gezogen?
Die Lebensqualität und die Vielfalt – das kann man sonst wo suchen gehen. Klar gibt es in Vorarlberg keine Großstadt, aber einerseits ist man innerhalb kurzer Zeit in Zürich oder München und andererseits gibt es ja auch hier fast alles – alleine das kulturelle Angebot ist hervorragend. Und selbstverständlich die Natur! Ich finde es herrlich, dass ich endlich wieder nur vor die Tür gehen muss und schon in der Natur bin. Oder dass ich mich ins Auto setze und in einer halben Stunde entweder am Bodensee oder auf dem Berg bin. In Belgien gibt es keine Natur mehr, da ist alles verbaut. Außerdem genieße ich es, dass ich hier die Freiheit habe, einfach einmal für mich zu sein und dass das Leben entspannter ist. Ich habe genauso viel zu tun wie in Belgien, kann aber alles einen Gang ruhiger angehen.

Ihre Kinder sind mittlerweile schon 12 und 11 Jahre alt. War es für sie nicht schwierig, in diesem Alter in ein für sie an sich fremdes Land zu ziehen?
Darüber haben wir uns natürlich Gedanken gemacht und es war sicherlich der letztmögliche Zeitpunkt für den Umzug, denn je älter Kinder werden, umso wichtiger werden Freunde. Ich war allerdings erstaunt, wie schnell sie sich integriert haben – ich glaube, es hat keine zwei Wochen gedauert.

Und ich nehme an, die Sprache war auch kein Problem – mit einer Deutschlehrerin als Mama...
(lacht) Stimmt. Und ja, ich habe mich mit dem Thema durchaus intensiv beschäftigt. Aber mir war einfach wichtig, dass unsere Kinder nicht nur Deutsch verstehen, sondern es auch sprechen können und das funktioniert nur, wenn es heißt: one parent, one language. Für mich war das zwar mitunter etwas mühsam, da ich die einzige war, die Deutsch gesprochen hat. Und ich musste da wirklich streng sein. Beispielsweise habe ich, wenn meine Kinder Niederländisch mit mir gesprochen haben, das, was sie zu mir gesagt haben, immer wieder auf Deutsch wiederholt, bis sie schlussendlich von sich aus Deutsch mit mir gesprochen haben.

Wie war das eigentlich, die eigene Sprache in einem fremdsprachigen Land zu studieren?
Sehr witzig! Erst einmal muss man nämlich Niederländisch können bzw. zumindest verstehen und dieses dann wieder auf Deutsch übersetzen. Allerdings muss man das eigene Hochdeutsch anpassen, damit die anderen Studenten und Professoren es auch verstehen. In gewisser Weise muss man sich eine andere Art Deutsch angewöhnen. Das war schon lustig teilweise.


Factbox
Marlene Kilga (Jahrgang 1973) kehrte nach fast 22 Jahren im Juli 2014 in ihre Heimat Feldkirch zurück und unterrichtet seit September 2014 an einem Vorarlberger Gymnasium Englisch und Deutsch. Wenn es die Zeit erlaubt, schreibt sie Kriminalromane: Nach zwei (bislang) unveröffentlichten Romanen („Die Chimäre der Schattenburg“, 2007, „Hadrians Wall“, 2011), erschienen 2013 „Dr. Faust in der Marktgasse“ und 2014 „Ihr letzter Fund“ (beide Bucher Verlag Hohenems).
Zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt sie derzeit in Feldkirch.

•    1993 – 1995: Wien (Kolleg für Mode und Bekleidungstechnik
•    1995 – 1999: Gent, Belgien (Lehramtsstudium: Anglistik und Amerikanistik, Germanistik)
•    1999 – 2000: Vancouver, Kanada (Deutschlehrerin an zwei Schulen – Deutsch für Kinder deutschsprachiger Auswanderer und Deutsch für englischsprachige, kanadische Kinder)
•    2000 – 2004: Kent, England (Deutschlehrerin – 1. bis 8. Klasse)
•    2004 – 2014: Gent, Belgien (Lehrerin für Englisch und Deutsch an einer AHS)

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