"Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze"

Landesinnungsmeister des Tiroler Baugewerbes, Anton Rieder, Landesgeschäftsführer Gewerkschaft Bau Holz, Christian Hauser, und Landesinnungsmeister des Bauhilfsgewerbes, Hans Peter Springinsfeld setzen sich gemeinsam für eine Bestbieter-Vergabe ein (v.r.)

Innsbruck (A) Der Wettbewerb in Österreich wird schärfer. Billigstanbieter mit Billigstarbeitern vernichten regionale Arbeitsplätze. Gleicher Grundlohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort ist gesetzlich geregelt. Bei den Lohnnebenkosten gibt es allerdings noch Vorteile für ausländische Mitbewerber.

Öffentliche ausschreibende Stellen akzeptieren Subvergaben an „dubiose” Firmen, obwohl nachweisliche Vergehen im Bereich des Lohn- und Sozialdumping vorliegen. Die Sozialpartner-Initiative „Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze”, bestehend aus drei Fachgewerkschaften und zwölf Bundesinnungen, hat einen Sechs-Punkte-Forderungskatalog erarbeitet. Gefordert werden unter anderem eine Adaptierung des Vergaberechtes sowie eine Novellierung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes.

Landesinnungsmeister des Tiroler Baugewerbes, Anton Rieder, Landesgeschäftsführer Gewerkschaft Bau Holz Christian Hauser und Landesinnungsmeister des Bauhilfsgewerbes, Hans Peter Springinsfeld, sehen auch in Tirol Handlungsbedarf.

Die derzeit übliche Vergabeart – nämlich jene der Billigstbietervergabe – und der reine Preiswettbewerb haben laut Landesinnungsmeister DI Rieder die Tiroler Bauwirtschaft in eine Situation gebracht, die es unbedingt zu hinterfragen gilt.

Anton Rieder: „Die Billigstbietervergabe bringt klare Nachteile mit sich, die in ihrer Folgewirkung noch größere Probleme verursachen. Das Ergebnis aus zu umfangreichen Ausschreibungen, spekulativen Angebotslegungen, fernab von baubetriebswirtschaftlicher Kalkulation, ständige Diskussionen über Verträge und die Kostenoptimierung mittels Subunternehmen, billigen Arbeitskräften und günstigsten Materialien führen zu enorm hohem Arbeits- sowie Erfolgsdruck, der sämtliche Beteiligte an die eigenen Grenzen bringt, auch an jene der Wirtschaftlichkeit.“

Anton Rieder will ein Bewusstsein schaffen, dass die negativen Folgen des Preiswettbewerbs am Bau vor allem den Mittelstand treffen: „Und diesen gilt es unbedingt zu bewahren, denn gerade der Mittelstand ist ein wichtiger Träger des heimischen Lehrlingswesens. Er sorgt für die Beschäftigung von einheimischen Arbeitskräften und für einen gesunden Wettbewerb!“ Wer nur auf den billigsten Preis abzielt, zerstört das mühsam aufgebaute Fundament der Bauwirtschaft in Tirol.

Hans-Peter Springinsfeld: „ Ausschreibungen haben nach Gewerken getrennt zu erfolgen. Oft wird aber eine Ausschreibung mit ‚Kraut und Rüben‘ erstellt. Die Ausschreibung nach Gewerken senkt die einzelnen Beträge der Aufträge. Somit befinden sich mehr Auftragssummen im Unterschwellenbereich und müssen zum einen gar nicht ausgeschrieben werden, zum anderen kann man sie beschränkt nur an Firmen z.B. in der eigenen Gemeinde oder im eigenen Bezirk ausschreiben. Die Kaufkraft und Arbeitsplätze werden regional gebunden. Die Einschränkung des Subunternehmertums ist unumgänglich. Durch vollkommen unrealistische Kostenschätzungen von Planungs- und Ausschreibungsseite ist der Auftraggeber gezwungen, zur Billigst-Billigst Ausschreibung zu greifen. Firmen, die alleine gar nicht in der Lage wären, gewisse Aufträge abzuwickeln, übernehmen Arbeiten und suchen sich die billigsten Subunternehmer, meist aus dem Ausland. Die Kaufkraft geht in Österreich verloren. Beispiel: Eine Firma mit zwei Mitarbeitern übernimmt die Abdichtung von Flachdächern bei einem öffentlichen Gebäude. Das Auftragsvolumen liegt bei ca. 500.000 Euro. Es ist offensichtlich, dass dieser Betrieb nie im Stande ist, dieses Auftragsvolumen aus eigener Kraft abzuwickeln. Vergaben dieser Art müssen unzulässig werden.“

Christian Hauser: „Für die Gewerkschaft Bau Holz ist es bitter, wenn öffentliche Bauprojekte von Steuergeldern bezahlt werden, aber von dubiosen Firmen mit Lohn- und Sozialdumping abgewickelt werden. Wir fordern daher einen Vergabegipfel, einen sogenannten „FAIRE VERGABEN LÄNDERGIPFEL". Arbeitnehmer müssen eine Chance auf einen Arbeitsplatz in Tirol haben. Immer häufiger werden wir mit unseriösen Billigstangeboten konfrontiert. Auf Landesebene darf bei öffentlichen Aufträgen nicht der Preis allein entscheidend sein, sondern müssen auch soziale und ökologische Kriterien, wie Lehrlingsausbildung und die Nähe zur Baustelle einfließen. Aktuell akzeptieren ausschreibende Stellen Subvergaben an dubiose Firmen, obwohl nachweisliche Vergehen im Bereich Lohn- und Sozialdumping vorliegen. Die Folgen: Die Wertschöpfung geht verloren, Arbeitsplätze in Tirol werden vernichtet und das heimische Ausbildungssystem gefährdet. Damit muss Schluss sein! Lohn- und Sozialdumping darf nicht Grundlage für die Auftragsvergabe sein. Wir brauchen verbindliche Standards bei öffentlichen Vergaben. Nur so kann sichergestellt werden, dass kollektivvertragliche Regelungen und Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingehalten werden und Firmen mit Eigenpersonal und Lehrlingsausbildung eine Chance haben, öffentliche Aufträge zu erhalten.“

Deshalb stehen alle Beteiligten hinter der bundesweiten  Initiative „Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze“. Ziel dieser  Sozialpartner-Initiative ist es, bereits bestehende Möglichkeiten zum Best- vor Billigstbieterprinzip zu nutzen. Des Weiteren wurde ein 6-Punkte-Forderungskatalog mit Maßnahmen für einen fairen Wettbewerb in Österreich erarbeitet.

  • Adaptierung des Vergaberechts – Best- vor Billigstbieterprinzip
  • Maßnahmen gegen die Gründung und Geschäftstätigkeit von Scheinfirmen
  • Novellierung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes
  • Aufrechterhaltung des Befähigungsnachweises als Ausübungs- und         Qualifikationskriterium
  • Änderung sonstiger Rahmenbedingungen
  • Rasche Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie in nationales Recht

Auch auf europäischer Ebene ergeben sich neue Chancen für faire Vergaben. Das EU-Parlament und der EU-Rat haben am 26. Februar eine neue EU-Vergaberichtlinie beschlossen. Dadurch haben EU-Mitgliedsländer die Möglichkeit, nach sozialen, umweltbezogenen und nachhaltigen Aspekten auszuschreiben.

Nun liegt es an allen Verantwortlichen und Bauherrn, alle bestehenden Möglichkeiten für regionale Vergaben und die Maßnahmen aus dem Sechs-Punkte-Forderungskatalog der Sozialpartner-Initiative „Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze” umzusetzen. Denn: Nur faire Vergaben sichern langfristig und nachhaltig unsere Arbeitsplätze! Weitere Informationen unter www.faire-vergaben.at

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