Wenn "Iron Man" statt der Pöstler zweimal klingelt…

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Im Automobilbau gehören Exoskelette zunehmend zum Alltag, wenn es darum geht, Fahrzeugteile zu stemmen oder über Kopf zu befestigen.

Bern (CH) Exoskelette verleihen der Phantasie enorme Flügel: Menschen integriert in Aussenskeletten erhalten schier endlose Kräfte, ermöglichen Kampfwilligen jeden Gegner zu bezwingen und lassen sie gar durch die Lüfte fliegen. Was in Action- oder Science-Fiction-Filmen wie "Iron Man" oder "Alien" das Herz des Kinopublikums schneller schlagen lässt, wird jetzt auch in der Arbeitswelt der Post Realität: Erste Erfahrungen mit sogenannten Stützgeräten bei hohen Hebelasten stimmen zuversichtlich. Noch klingelt aber der "Postman" statt der "Iron-Man" an der Tür beim Hauseingang…

Gross waren die Erwartungen im Jahr 1965 als der US-Konzern General Electric mit dem "Hardiman GE" den Prototyp eines Stützskelett für den menschlichen Organismus ankündigte: 680 Kilogramm sollte ein Mensch mit dem technischen Monster aus Stahl, Hydraulikleitungen, Gelenken, Schrauben und Pumpen mit Leichtigkeit heben, als wär’s eine Vogelfeder oder ein Bambusblatt.

Entsprechend gross war denn die Enttäuschung, als das erste Exoskelett der Welt sich in unkontrollierte Bewegungen verirrte. Dem Bediener – bei der Präsentation epochengerecht in weissem Hemd und Krawatte – gelang es nicht, sich auf der Stelle zu drehen. Das Projekt scheiterte und auch dem daraus resultierenden Nachfolgeprojekt eines Greifarmes war kein Erfolg beschieden: Dieser vermochte zwar 340 Kilogramm Gewicht erfolgreich zu heben – er wog allerdings selbst gut 750 Kilogramm….also mehr als das Doppelte der zu tragenden Last.

Vom Kinofilm in den Berufsalltag
Losgelassen haben die Träume von einer tragbaren äusseren Stützstruktur als Basis für übermenschliche Kräfte und Taten indes Forscher, Ingenieure, Techniker und auch Filmemacher nicht. Was an Exoskeletten in Kinofilmen wie "Aliens", "Elysium" oder "Iron Man" immer grösser und mit Waffen bestückt auch gewalttätiger geworden ist, zeigt sich heute in der Realität des Industriealltags demgegenüber immer kleiner und bescheidener: Äussere Stützstrukturen ähneln immer mehr einem kleinen Rucksack. Diese unterstützen und entlasten mit Bändern, Gelenken und Leitschienen die menschlichen Kräfte.

Wenn es beispielsweise darum geht, bei der Arbeit regelmässig schwerere Lasten vom Boden zu heben, über Bauchhöhe zu stemmen oder über Schulterhöhe zu montieren. Automobilhersteller wie VW-Slowakei, Audi oder Ford-USA, aber auch der Flughafen Stuttgart in der Gepäckabfertigung verwenden solche leichte, aber kraftsparende Exoskelette – oder haben sie bisher für den Arbeitsalltag entsprechend an ausgewählten Stationen getestet.

Erste Postversuche "vielversprechend"

Auch die Post hat sich der Exoskelette angenommen – im Wissen, dass in der Postverarbeitung von Paketen und Briefen an ausgewählten Arbeitsstationen die Rücken und Nacken- oder Schulterpartien der Mitarbeitenden belastet sind. Nebst bereits eingesetzter Physiotherapie, Krafttraining, Schulung der Bewegungsabläufe und Einturnen ist die Post an technischen Innovationen interessiert, welche den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden erleichtern. So hat sie im vergangenen Jahr in den grossen nationalen Brief- und Paketzentren Daillens, Härkingen, Frauenfeld, Eclépens und Zürich-Mülligen und in der Zustellung einzelne Mitarbeitende mit Exoskeletten "eingekleidet".

"Ziel ist es, Exoskelette als neue, mögliche Arbeitsmittel zu testen. In einer ersten Phase ging es darum auszuloten, ob Exoskelette überhaupt im Postalltag technisch einsetzbar sind. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend", sagt Olivier Crettenand, Leiter Safety&Security bei Logistik-Services und damit zuständig für das Gesundheitsmanagement in den Verarbeitungszentren der Post. Auf freiwilliger Basis und in Begleitung von Betriebs-Physiotherapeuten haben rund 100 Mitarbeitende in ihren Einsätzen stundenweise oder bis zu zwei Wochen Exoskelette getragen.

Dies beispielsweise, wenn sie Lastwagen ent- und beluden, Sperrgut sortierten, Postsendungen nach der Sortierung umlagerten, Weinbestellungen herumhoben oder Fahrzeuge vor dem Botengang mit Postsendungen vorbereiteten und sich auf die Zustelltour begaben.

Können Exoskelette die körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten gemäss ersten Erfahrungen bei der Post entlasten? “Ja, das können sie”, sagt Olivier Crettenand. “Wir haben festgestellt, dass Mitarbeitende mit einem Exoskelett ihre Arbeiten weniger anstrengend und ermüdend empfinden”. Insbesondere an Arbeitsplätzen, wo Mitarbeitende regelmässig Gewichte vom Boden bis Hüfthöhe heben oder senken. Weitere Erfahrungen benötigt die Post bei Gewichtsverschiebungen oberhalb der Hüfte und auf der Zustellung. Hier vermochte die Bewegungsunterstützung die Mitarbeitenden nicht zu überzeugen. Die Geräte am Körper erwiesen sich als zu umständlich, wenn die Pöstler und Pöstlerinnen wie üblich häufig in ihr Zustellfahrzeug ein- und ausstiegen.

Langzeit-Tests angestrebt
Wie und ob die Post überhaupt Exoskelette dereinst einsetzen wird, ist noch offen. Entsprechende Analysen sind im Gang – weitere Tests, darunter insbesondere Langzeiteinsätze prüft die Post. Dabei geht es gemäss Olivier Crettenand auch darum, "bewusst Mitarbeitende einzubeziehen, die über Beschwerden oder Schmerzen klagen und ob Exoskelette eine Verbesserung ihrer Situation bringen".

Und die begonnene enge Zusammenarbeit mit den Betriebs-Physiotherapeuten soll ausgeweitet und die Sozialpartner mit einbezogen werden. Olivier Crettenand: "Es hat sich deutlich gezeigt, dass ein Exoskelett nicht wie in Actionfilmen gezeigt, einfach ein Rucksack ist, den man anzieht – und die menschlichen Kräfte potenzieren sich von selbst".

Bis Ende des Jahres entscheidet die Post, ob, wie, wo und wie lang sie Exoskelette in Langzeittest anwenden will. Bis der "Iron Man" statt der Pöstler dereinst Pakete an der Türe übergibt, dauert es also noch eine Weile.

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