»Whisky muss nicht alt sein – er braucht nur das richtige Alter!«

»Whisky muss nicht alt sein – er braucht nur das richtige Alter!«
Jasmin Haider-Stadler

Als Teenager wollte Jasmin Haider-Stadler eigentlich weg aus dem Waldviertel, raus in die Welt. Aus ihrer Einstellung »Ich möchte das hier sicher nicht übernehmen, das ist mir zu langweilig« hat sich mittlerweile ihr Traumjob entwickelt. »Das hier« ist Österreichs erste Whiskydestillerie, mit der ihre Eltern 1995 begonnen und damit aus der Not eine Tugend gemacht haben. Für Landwirte bedeutete Österreichs EU-Beitritt im selben Jahr nämlich: Größer werden, auf Bio umsatteln oder anders sein. Nur so ließ sich langfristig ein vernünftiges Einkommen sichern.

Die Haidersche Landwirtschaft war von Generation zu Generation weitergegeben worden, Jasmin Haider-Stadlers Eltern haben den Betrieb 1990 im Vollerwerb übernommen, zuvor haben sie mit ihren beiden Töchtern in Wien gelebt. Es wurde Milchwirtschaft betrieben, 40 Stück Vieh gab es am Hof.

Wie sind Ihre Eltern auf die Idee gekommen, von Landwirtschaft auf Whisky umzusatteln?
1995 war der EU-Beitritt von Österreich. Und für EU-Verhältnisse, wenn man sich die Betriebe in Holland oder Deutschland oder im Marchfeld unten anschaut, das sind andere Dimensionen, da konnten wir nicht mithalten. So haben meine Eltern im ersten Schritt überlegt, wie sie sich ein bisschen Geld dazuverdienen können, weil die Landwirtschaft nicht mehr gereicht hat, um die Familie langfristig gut ernähren zu können. Mein Vater hat damals einen Beitrag gesehen in »Alpen-Donau-Adria« über eine Familie in Südtirol, die den Grappa kultiviert hat. Eigentlich ein Arme-Leute-Produkt, sozusagen aus einem Abfallprodukt der Weinwirtschaft hergestellt. Die haben das seinerzeit vorangetrieben und heute bekommt man in jedem Haubenlokal einen Grappa. Mein Vater hat sich gedacht, wenn das mit Grappa funktioniert, muss das doch bei uns auch möglich sein.

Wie kam er ausgerechnet auf Whisky?
Er hat überlegt: Was haben wir? Wir kommen aus Roggenreith, der Name kommt nicht von ungefähr – wir haben Getreide, wir haben Bäume im Waldviertel und sehr weiches Wasser, wir haben sogar Torf bei uns in der Region und es hat auch das Kornbrennen hier schon eine lange Tradition. Mein Vater hat überlegt, wie er den Kornbrand weiter veredeln kann und die edelste Form von Kornbrand ist Whisky. So ist das entstanden.

Eine sehr weise und weitsichtige Entscheidung damals …
Anfangs sind wir schon belächelt und gefragt worden: »Seid ihr wahnsinnig? Wie könnt ihr das machen?!« Vor allem für meine Großmutter war’s schwierig, als eine Kuh nach der anderen weg gekommen ist und das mit dem Whisky und dem Tourismus mehr wurde. Es hat schon gedauert, bis das auch bei ihr wirklich angekommen ist und sie das annehmen konnte.

War der Tourismus vorher in Ihrer Gegend schon ein Thema? Ihr habt in eurer Whiskyerlebniswelt ja an die 70.000 Besucher pro Jahr?

Es ist nach wie vor nicht die große Tourismusregion hier im Waldviertel, eher sanfter Tourismus, aufgrund von der Nähe zu Wien vielleicht so eine Art Naherholungsgebiet, wo die Leute zum Abschalten herkommen. 1995 haben wir angefangen, gut drei Jahre später den ersten Whisky präsentiert, da gab es damals zwei große Medienbeiträge – in »Land & Leute« und in der »Kronen Zeitung«. Das war ein Wahnsinn: Im ersten Jahr sind daraufhin 100 Autobusse zu uns gekommen!

Das ist ja eine grandiose Resonanz!
Ja, das waren vor allem auch so Bäuerinnen-Ausflüge, die quasi als »best practise«-Modell vorbeigekommen sind und sich angeschaut haben, was man aus der Landwirtschaft sonst noch so machen kann. Wir waren auf das überhaupt nicht eingerichtet, wir hatten nicht mal Toilettanlagen am Anfang, die Besucher sind in unsere private Wohnung gegangen. Aufgrund dessen haben wir überlegt: Gehen wir den Schritt weiter und bauen das touristisch aus oder ist das jetzt nur ein kurzes Strohfeuer? Meine Eltern sind das Risiko eingegangen, haben einen kleinen Shop-Bereich und Toiletten eingerichtet, einen eigenen kleinen Arbeitsraum und Stück für Stück erweitert. Das Investment hat sich gelohnt. Die Besucherzahlen sind stetig gestiegen.

Wie haben Sie die Situation und die Entwicklung vom landwirtschaftlichen Betrieb hin zur Whiskydestillerie als Teenager erlebt?
Ich hab als Teenager immer gesagt: Ich möchte eigentlich weg, raus in die Welt, ich möchte das hier sicher nicht übernehmen, das ist mir zu langweilig. Meine Eltern haben mir auch nie Druck gemacht, es hat sich im Laufe der Zeit einfach entwickelt und heute bin ich wirklich froh über die Entscheidung, es ist mein Traum, den ich hier ausleben und verwirklichen kann. Mit 13 selbst kann ich mich noch an eine Situation erinnern: Da hatten wir ja noch keine regelmäßigen Öffnungszeiten in dem Sinne – wenn wer gekommen ist, war halt der Hofladen offen. Ich war alleine daheim nach der Schule. Auf einmal läutet’s unten. Ich geh runter, mach die Tür auf und es stehen 50 Leute vor mir, eine Busgruppe, denen ein Programm ausgefallen ist und die sich stattdessen jetzt unseren Betrieb anschauen wollten. Ich war total überfordert, aber die waren eh ganz nett und ich hab ihnen dann halt ein bisschen was erklärt, steh’ gerade im Shop und erklär’ den 50 Leuten was über unsere Produkte. Auf einmal kommt meine Mutter ganz aufgeregt rein: »Jasmin, was ist denn da los?!« An das kann ich mich noch gut erinnern. Ich war dann auch froh, wieder abziehen zu können, meine Mutter hat die Führung weiter gemacht und ich habe einen Zwischenapplaus bekommen.

Ihre Ausbildung und Ihr beruflicher Werdegang waren demnach nicht darauf ausgerichtet, ins elterliche Geschäft einzusteigen. Was haben Sie stattdessen gemacht?
Ich habe eine dreijährige Fachschule gemacht und anschließend im Büro in einem Autohaus gearbeitet. Dann kam relativ rasch der Wunsch, dass ich studieren möchte. Die Matura habe ich in der Abendschule nachgeholt. Daneben habe ich immer gearbeitet. Ich bin dann nach Wien zurückgegangen, habe zu studieren angefangen und war insgesamt 13 Jahre in Wien. Mit abgeschlossenem Studium habe ich schließlich in PR- und Eventagenturen gearbeitet und dann hat es Schritt für Schritt angefangen …

Doch Richtung Einstieg in den elterlichen Betrieb zu gehen?
Genau. Meine Mutter ist auf mich zugekommen und hat gemeint: »Du, ich hätte da einen Text zu schreiben und hier ist eine Anfrage, kannst du mir die bitte bearbeiten?« So hat sich das ergeben und ich bin immer mehr reingewachsen in den Betrieb. In der Agentur habe ich daraufhin auf 20 Stunden reduziert und 20 Stunden für den heimischen Betrieb gearbeitet. Irgendwann muss man sich aber entscheiden, denn mit zwei Jobs, das ist schwer organisierbar. Dann war klar, dass ich mich für den heimischen Betrieb entscheide. Ich habe Marketing und Kommunikation übernommen, das war 2012. Vorher hat meine Mutter das Marketing zwar auch mit sehr viel Gespür gemacht, aber eher reaktiv – also wenn Anfragen reinkamen, sind die bearbeitet worden. Ich hab angefangen, das aktiv anzugehen, vor allem Presseaussendungen zu machen, Presse-Events zu organisieren und solche Sachen.

Sie sind aber auch ausgebildete Destillateurin, richtig?
Ja, ich habe schließlich auch die Ausbildung zur Destillateurin gemacht, weil ich genauer wissen wollte, worüber ich rede und es nicht nur vermarkten. Ich bin dann auch immer mehr in die Produktion hineingerutscht. Es ist aber nicht so, dass ich jetzt jeden Tag in der Brennerei stehe, weil halt auch genug andere Sachen zu tun sind, da haben wir einen Mitarbeiter, der das macht. Aber Produktentwicklung und Kooperationen mit Winzern aufzubauen für die Fasslagerung, das ist stark mein Aufgabenbereich. Im letzten Jahr habe ich auch noch mit meiner Mutter gemeinsam die Geschäftsführung für die Whiskyerlebniswelt übernommen, da kommen natürlich auch sehr viele neue Aufgaben dazu, angefangen vom Etiketten Redesign oder Verpackungen bis hin zu Diensteinteilung und derlei Aufgaben.

Sie sind seit 2016 verheiratet. Ist Ihr Mann auch im hochprozentigen Business tätig?

Nein, mein Mann macht ganz was anderes. Ich brenne sozusagen von innen, er brennt von außen – er ist Ofenbauer und hat ein eigenes Geschäft in Nürnberg. Wir haben momentan noch zwei Wohnsitze.

Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das erste Mal einen Whisky probiert haben?
Die erste Whisky-Erfahrung, die ich gemacht habe, war recht unromantisch: Beim ersten Mal Fortgehen ein Cola-Whisky in der Disco. Ich bin erst später auf den Geschmack gekommen. Mittlerweile trinke ich Whisky sehr gerne und weiß natürlich einen guten Tropfen sehr zu schätzen.

Kann man sich das so vorstellen, dass eine Whiskydestillateurin jeden Abend einen Schluck Whisky zu sich nimmt, so wie andere ein Glas Wein trinken?
Ich trink jetzt natürlich nicht jeden Abend Whisky. Aber der sensorische Bereich, der zu meinem Aufgabengebiet gehört und den ich sehr gern mache, ist etwas, das man immer schulen und trainieren muss. Das gehört dazu. Natürlich probiert man ab und zu und vergleicht. Whisky hat so eine enorme Bandbreite und Vielfalt, da kann man immer wieder etwas anderes herausschmecken und testen und sich herantasten. Ich mach das sehr sehr gern, aber wie gesagt nicht jeden Tag. Trinken als Fortbildung sozusagen.

Wenn Sie blind verkosten, was zeichnet für Sie einen guten Whisky aus?
Ein guter Whisky ist grundsätzlich immer der, der einem schmeckt. Ich kann keine Parameter festlegen wie: Der Whisky muss dieses und jenes Aroma haben, damit er ein guter Whisky ist. Genauso wie ich nicht sagen kann, ein Whisky muss alt sein, damit er gut ist. Das stimmt nicht. Whisky muss nicht alt sein – er braucht das richtige Alter. Man muss das immer im Kontext sehen: Welches Fass? Wie sauber destilliert? Welches Holz und so weiter. Vom Geschmack her ist es immer auch tagesabhängig. An einem Tag habe ich Lust auf was Kräftiges, Rauchiges, mit Torf geräuchert, dann mag ich wieder lieber Roggenwhisky, die liebliche Aromen aufweisen und im Abgang das Pfeffrig-Würzige. Da die Bandbreite und Vielfalt bei Whisky so groß ist, kann man sich wirklich austoben, den Geschmacksknospen freien Lauf lassen.

Was ist das Hauptunterscheidungsmerkmal von österreichischem zu schottischem oder auch asiatischem Whisky?
Japan ist ein ganz wichtiger Whisky Markt mit einigen sehr bekannten und großen Brennereien. Die österreichische Whisky Szene entwickelt sich sehr gut, ist extrem vielfältig. Whisky kriegt seine Aromen durch das Grundprodukt, die Herstellung und den Großteil durch die Lagerung. Da kommt’s zum Beispiel darauf an, nehme ich Gerstenmalz, so wie es in Schottland und Irland hauptsächlich verwendet wird, oder ein anderes Getreide? Wir verwenden großteils Roggen, einfach weil das bei uns in der Region das vorrangige Getreide ist. Welches Brenngerät zum Einsatz kommt, spielt auch eine Rolle und gibt unterschiedliche Aromen. Genauso wie die Maische: In Schottland wird das Getreide geläutert, wir verwenden das ganze Korn in der Maische, da sind die Getreidearomen intensiver. Für die Lagerung verwenden wir heimische Eiche, die sehr grobporig ist, sehr viele Tannine hat. In Schottland und Irland nimmt man großteils gebrauchte Fässer aus amerikanischer Weißeiche, französische Eiche, gebrauchte Bourbonfässer. Auch das ergibt wieder individuelle Geschmackskomponenten. Das ist so wie … ich habe das selbe Grundrezept für ein Gulasch und mach’s einmal mit Schweinefleisch und einmal mit Rindfleisch. Es wird anders schmecken, aber es ist im Grunde das selbe Rezept. Whisky ist ein Getreidebrand mit Malzanteil, mindestens 40 Volumsprozent Alkohol und mindestens 3 Jahre gelagert, dann darf ich Whisky aufs Etikett schreiben. Alles rundherum ist Vielfalt. Die wichtigsten Zutaten sind aber natürlich Feingefühl und Leidenschaft.

Zur Person:
Mag. Jasmin Haider-Stadler, geboren am 13. Oktober 1982 in Wien, ist seit 2016 verheiratet. Im selben Jahr übernahm sie gemeinsam mit ihrer Mutter die Geschäftsführung der familiären Whiskydestillerie in Roggenreith im Waldviertel. Haider-Stadler ist zudem Obfrau der AWA (Austrian Whisky Association)

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Whisky-Erlebniswelt | J. Haider GmbH

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