"Es geht um Relevanz und Attraktivität"

Oliver Heiss ist Managing Partner der Markenagentur Brainds mit Fokus auf Markenführung, Branding und Design.

Muss Markenführung in einer digitalen Welt wirklich völlig neu gedacht werden? Wie sieht erfolgreiches Branding entlang einer immer komplexeren Customer Journey aus? Wieviel Kontrolle haben Unternehmen noch über ihre Kommunikation? Oliver Heiss, Managing Partner der Markenagentur Brainds, gibt Antworten im Wirtschaftszeit-Gespräch mit Birgit Schaller, Contentagentur BiSness.

Herr Heiss, Sie beraten Unternehmen wie die Austrian Airlines, Erste Bank oder Andritz in der Markenführung und Markenentwicklung. Welche Aufgaben sind Teil Ihrer Arbeit?
Markenführung und Branding hat eng gefasst zwei Facetten: das klassische Branding, dazu gehört der visuelle Auftritt, die Farbgebung, das Logo und das Design. Und die Strategie, die es braucht, um Auftritt, Vision, Verhalten und Kultur in Unternehmen intern wie extern entlang aller Touchpoints der Customer Journey zu verankern – das  betrifft Vertrieb, Produkte und Dienstleistungen, die Website, Social Media und die klassischen Kanäle. Früher ging es in der Markenführung vor allem um das Außen, Marketing und Werbung. Im letzten Jahren ist das Innen wichtiger geworden, also die Frage: wie schaffe ich eine Organisation, die erfüllt, was ich am Markt verspreche.

Was macht erfolgreiche Markenführung aus?
Es geht um zwei Ebenen, die eine Marke erfüllen muss: Relevanz und Attraktivität für die Zielgruppe. Das ist natürlich je nach Marke sehr individuell. BMW und Mercedes sprechen sehr unterschiedliche Zielgruppen an und müssen für diese von Nutzen und attraktiv sein.

Sie arbeiten für Ihre Kunden mit dem Tool der identitätsbasierten Markenführung von Univ. Prof. Dr. Christoph Burmann aus Bremen. Was kann dieses Tool?
Es gibt weltweit 65 Modelle für das Thema Marke, aber dieses Tool ist seit vielen Jahren State of the Art und hilft insbesondere dabei mit der Komplexität der Welt umzugehen. Denn es bringt die weichen Faktoren wie Kultur, Identität, Werte, die es im klassischen Management schwer haben, die aber langfristig sehr wohl für den Unternehmenserfolg wichtig sind, in den harten Businesskontext.

In den USA stellt sich niemand die Frage, ob es professionelles Branding braucht. Aber auch in Europa ist das Bewusstsein für das Thema Marke in den letzten Jahren deutlich gestiegen ...
... und im Mainstream angekommen. Das ermöglicht gute kollaborative Prozesse mit Unternehmen, die ihr Wissen und internes Know-how mit uns teilen. In Amerika ist es selbstverständlich Marken bewusst zu entwickeln. Das setzt sich auch bei uns immer mehr durch und das ist gut so.

Was hat die Digitalisierung aus Ihrer Sicht verändert?

Wie überall hält die Digitalisierung auch in der Markenführung Einzug. Dabei geht es um eine sehr konkrete Definition der Zielgruppe und das bestmögliche Ausnutzen technischer Möglichkeiten. Hinzu kommt, dass Unternehmen im Zuge der Digitalisierung immer weniger Kontrolle über die Meinungsbildung haben, da die Menschen selbst aktiv Marken mitgestalten und bewerten.

Das klingt nach einer großen Herausforderung ...
Ja! Einerseits muss man mit den Menschen und Kunden draußen in Kommunikation zu treten, ihnen auf ihre Fragen antworten und sie durch die digitale Welt zu begleiten, andererseits sollte das Auftreten höchst konsistent sein. Denn als Marke muss ich meine Identität bewahren, Geschichten in einem Guss erzählen. Die Welt ist sehr spannend geworden. Programmatic Advertising ermöglicht die ultimative Differenzierung und eine extrem zielgerichtete Ansprache eines Individuums, die direkteste, die es je gab. Gleichzeitig haben Unternehmen so wenig Kontrolle wie noch nie, da die genutzten Algorithmen von anderen beherrscht werden. Das ist eine Challenge.

Welche Rolle spielt das Design als Wiedererkennungsmerkmal?
Das Design ist sehr wichtig. Aber wenn Sie an Social Media denken, dort sind 90 Prozent im Feed vorgegeben und Unternehmen müssen ihren Auftritt in einen engen Rahmen einpassen. Fazit: Strategisch ändert sich wenig. Es geht um eine starke Identität, die von innen heraus gelebt und zur Zielgruppe transportiert wird – dabei braucht es natürlich ein wiedererkennbares Auftreten.

Aber in der Umsetzung gibt es massive Veränderungen und es gilt sehr viele neue Kanäle mitzudenken ...
Die Aufgabe lautet: wie bringe ich meine Botschaft über die immer länger, komplexer und digitaler werdende Customer Journey. IKEA muss sich nach IKEA anfühlen – und das lange bevor ich als Kunde das Haus betrete!

Wer hat es geschafft in der digitalen Welt relevant zu bleiben oder zu werden?
Natürlich tun sich ‚Digital Natives’, wie Amazon, Airbnb oder Netflix in der digitalen Welt leicht. Sie sitzen sozusagen auf den neuen Strukturen, haben eigene und erfolgreiche Businessmodelle entwickelt. Als österreichische Marke muss ich Red Bull erwähnen. Diese Marke ist ein Klassiker.

Warum?
Weil es Red Bull geschafft hat, auf fast schon diktatorische Art und Weise, die wichtigsten Elemente sehr konsistent zu bewahren und das seit 1984: Die einzige Maxime lautet extrem und dafür nutzt man eigene Kanäle wie TV-Sender, Printmedien, Musik- und Sportevents oder fremde wie YouTube, Extremsportler, Influencer und Blogger. Andere Marken, nehmen Sie den Otto Versand, haben durch die Vernachlässigung der digitalen Welt, an Relevanz eingebüßt. Noch ein Positivbeispiel ist die New York Times.

Können Sie das näher ausführen?
Es geht um Innovation, ein funktionierendes neues Businessmodell für die digitale Welt. Aber vor allem: die NYT ist sich selbst treu geblieben: sie macht gut recherchierten, ehrlichen und progressiven Journalismus auf höchstem Niveau, und das inzwischen digital. Das Ganze ist technologisch auf dem letzten Stand, kombiniert mit großartigem Design. Es geht nicht darum Entwicklungen hinterherzulaufen, vom Markt getrieben zu sein! Sehen Sie sich den Independent an – es gibt ihn nicht mehr. Der englische Guardian kämpft ganz erfolgreich ums Überleben.

Gibt es einen Tipp, den Sie Unternehmen in diesem sich stetig wandelnden und immer digitaleren Umfeld geben würden?
Ich empfehle jedem Unternehmen sich folgende Fragen zu stellen: was hat mich stark gemacht? Und wie kann ich genau das in die digitale Welt mitnehmen. Denn wenn ein Unternehmen innovativ agiert, der Technologie auf der Spur bleibt und gleichzeitig seine Identität bewahrt, ist es definitiv auf einem guten Weg.

„Die Aufgabe lautet: wie bringe ich meine Identität und meine Botschaft über die immer länger, komplexer und digitaler werdende Customer Journey.“ Oliver Heiss



Das Gespräch führte Birgit Schaller, Geschäftsführerin Contentagentur BiSness und Kommunikationsleiterin Marketing Club Österreich (MCÖ) im Auftrag der WIRTSCHAFTSZEIT.

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