Stress beginnt im Kopf

Stress beginnt im Kopf
Marcel Meier

Leistungsdruck in der Schule, Zeitdruck in der Arbeit, Unvereinbarkeit mit dem Privatleben: Stress ist im Alltag beinahe allgegenwärtig und betrifft alle Altersschichten. Doch was ist Stress und wie wirkt er sich auf das psychische und physische Empfinden aus? Coach und Stress-Experte Marcel Meier zeigt auf, was Frauen und Männer bewegt. Dabei können körperliche und mentale Anspannung durchaus positive Wirkung haben, solange tiefe Entspannung das Stressniveau wieder senkt. Wie dies gelingen kann, erklärt Meier im Interview mit Wirtschaftszeit.at.

Herr Meier, in Gesprächen beklagen viele Betroffene die ständige Erreichbarkeit und der Leistungsdruck. Was sind Ihrer Erfahrung nach die Hauptfaktoren für Stress?
Eins vorweg – die ständige Erreichbarkeit sowie der Leistungsdruck sind nur die Hauptsymptome und nicht der Auslöser für Stress. Menschen stressen Menschen. Die Kommunikationstechnologie ist lediglich der Vermittler. Um Shakespeare zu zitieren: An sich ist nichts weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu. Stress spielt sich nur im Kopf ab.

Was ist jedoch mit dem gesellschaftlichen Druck, der von vielen als großer Stress wahrgenommen wird?
Den gesellschaftlichen Druck gibt es nicht. Nehmen wir beispielsweise den Leistungsdruck von Schülern oder Studenten her. Dieser geht eher von der Familie aus. Dabei fließen beispielsweise die Erfahrungen der Eltern und die eigene Angst vor dem Leben ein. Jeder baut sich diesen Stress selber auf. Mit dem so genannten gesellschaftlichen Druck geben wir der Gesellschaft Macht über uns. Wir müssen lernen, wieder mehr Verantwortung für unser Leben zu übernehmen.

Aber der Druck bleibt ja dennoch bestehen...
Ja, aber es ist eine Ansichtssache: sehe ich den Leistungsdruck als beängstigend an, oder sehe ich ihn konstruktiv und freue mich über die Herausforderung, dass im Studium oder im Job mehr Know-how gefordert wird? Es ist nicht die Tätigkeit beziehungsweise die Realität die den Druck auf uns ausübt, sondern das Denken darüber.

Es geht also grundsätzlich um eine positive Lebenseinstellung?
Genau! Es ist eine Lebensstilfrage. Stehe ich dem Leben bejahend oder ablehnend gegenüber? In der Psychologie nennen wir das destruktive versus konstruktive Lebenseinstellung. Wenn ich generell eher negativ eingestellt bin, rebelliert auch mein Körper. Nehmen wir beispielsweise Extremsportler her. Sie lieben den Sport und trainieren mit einer positiven Grundhaltung. Deswegen funktioniert es auch, dass der Körper Höchstleistungen erbringen kann. Wird ein Sportler dazu gezwungen, bzw. steht er nicht dahinter, so wird er an dem Druck und Stress zerbrechen.

Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede? Sind Frauen von anderen Dingen als Männer gestresst?
Das ist schwer zu sagen, da diese sehr individuell sind. Es gibt jedoch einen großen Unterschied: Frauen fühlen sich tendenziell schneller schuldig als Männer. Sie haben eine sensitivere Wahrnehmung und sozial einen sehr offenen Horizont, daher nehmen sie Veränderungen oder Probleme schneller wahr und rutschen in die Schuldrolle.

Wie können Frauen diesem Stress entgehen?
Im Prinzip ist es einfach. Bei Problemen sollen sie zwar mitfühlen aber nicht mitleiden. Das ist ein großer Unterschied. Frauen haben durch die Erziehung generell das Bedürfnis nach Anerkennung und Liebe. Viele haben Angst, nicht zu genügen und gehen mit sich selbst viel härter ins Gericht als mit anderen. Es gibt aber kein Grund, warum man mit sich selbst nicht gut umgeht. Mein einfacher Rat: Liebe dich selbst wie du bist!

Was sind typische Stresssituationen für Männer?
Interessanterweise ist bei Männern der Stress an zwei Ängste geknüpft. Einerseits haben sie Angst vor Jobverlust, andererseits davor im Bett nicht zu genügen. Selbst bei Managern mit hohen Gehältern besteht die Angst, den Job zu verlieren. Dabei haben Männer einen sehr schnellen Gedankengang. Sie sehen den Verlust des Jobs und damit einhergehend den Verlust der Freunde und Familie, bis hin zum Tod. Sie haben Angst davor, einsam zu sein. Der Job ist für viele Männer Identifikation. Mit ihm erhalten sie die soziale Anerkennung. Dasselbe gilt auch bei der Furcht davor, im Bett zu versagen. Es ist die Angst davor, nicht akzeptiert zu werden wie man ist.

Stress hat nicht nur psychische Folgen, sondern wirkt sich auch nachweislich auf den Körper aus.
Ja, der Körper ist sozusagen ausführender Sklave. Mit Methoden wie der Herzratenvariabilität kann man Herzschlag für Herzschlag verfolgen, wie sich der Körper äußeren und inneren Stressoren anpasst. Ein negativer Gedanke und der Herzschlag gerät aus dem Rhythmus. Umgekehrt beruhigt sich der Herzschlag durch Entspannung. Die Gedanken sind unheimlich mächtig, das ist uns oft nicht bewusst.

Ab wann sollte man sich bei viel Stress Hilfe bei einem Experten suchen?
Es ist schwierig, da Personen die unter chronischem Stress leiden, dies lange Zeit negieren. Aber sobald man über einen längeren Zeitraum schlecht schläft, sich am Morgen unfit fühlt, übermüdet und vergesslich ist, sind das die ersten Alarmzeichen. Es ist aber nicht immer nötig, sich Hilfe bei einem Coach zu suchen. Oftmals reicht es aus, sich Feedback bei guten Freunden zu holen und über sich selbst zu reflektieren.

Sie empfehlen, dass man sich vor allem bei mentalen und körperlichen Höchstleistungen tiefe Entspannungsphasen gönnt. Wie gelingt dies am Besten?
Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Manchen hilft Sport, anderen Meditation. Aber der einfachste Weg ist Atmen. Es tut gut, kurz innezuhalten und bewusst durchzuatmen. Dadurch hat man einen Moment lang keine Chance für andere Gedanken. Das ist der schnellste Weg zur Entspannung, 20 bis 30 Sekunden reichen dabei vollkommen aus. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht werden zusätzlich Glückshormone ausgeschüttet. Daher mein Tipp: Atme kurz durch, lächle und weiter geht’s. Hört und vertraut auf eure eigenen Signale. So kann man am besten den Stress minimieren.

Zur Person:
Marcel Meier
Marcel Meier verfügt über 25 Jahre Erfahrung mit Stress-Management, Kommunikations-Training und Potential-Entfaltungs-Coaching für Kinder und Erwachsene. Der 47-jährige Schweizer setzt sich mit dem Thema Stress auseinander, weil chronischer Stress nicht nur Todesursache Nr. 1 und Ursache für fatale Fehlentscheidungen ist, sondern auch, weil Stress so einfach wahrnehmbar und somit die Situation korrigierbar ist. Von einfachem Nervenflattern, über Verspannungen, zu handfesten Schmerzen bis hin zu ernsthaften Krankheiten, erhalten wir permanent Signale, dass wir kurz anhalten und unsere Lebenssituation überdenken sollten. Stress ist also sehr nützlich, wenn man ihn zu nutzen weiß, davon ist er überzeugt.


Symposium Angewandtes Coaching
18. September 2015 | 9.00 bis 17 Uhr | Zürich
Referenten: Marcel Meier, Thomas Freitag, Michael Gilgen, Ray Popoola, Dr. Peter Szabo, Bernhard Moestl, Dr. Sonja Radatz
Weitere Infos und Anmeldung: www.ipc-akademie.at  

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