Smart Farming - Digitalisierung in der Landwirtschaft

Smart Farming - Digitalisierung in der Landwirtschaft
NTB FOLIO im Gespräch mit Beni Dürr, Verdunova AG, und Mario Baumgartner, Hof-Lindemad (Foto: Philipp Knöpfel)

Die Landwirtschaft hat eine führende Rolle bei der Entwicklung von smarten Lösungen eingenommen. Der Begriff Smart Farming umfasst dabei alle Prozesse der Landwirtschaft, welche durch intelligente Lösungen Effizienz anstatt Kapazität steigern. Smart Farming hat als Ziel, ein effizientes Verhältnis von Input und Output durch intelligentes und zielorientiertes Beobachten, Analysieren und Planen zu erreichen.

Die eingesetzten Ressourcen sollen dabei optimal und den individuellen Ansprüchen entsprechend verwendet werden. Dazu werden essenzielle Daten gesammelt und miteinander verknüpft, um eine optimierte Prozesskette zu generieren. Die benötigten Daten werden durch ausgeklügelte Sensortechniken gesammelt und analysiert. Mit der zunehmenden Digitalisierung hat eine neue Ära in der Landwirtschaft zur Sicherstellung der Welternährung begonnen. Die NTB ist dabei u. a. mit dem Projekt DigiLand beteiligt.

Herr Dürr, können Sie kurz erklären, was Verdunova von anderen Gemüse- und Früchteverarbeitern unterscheidet?

Wir verarbeiten vor allem einheimisches Gemüse und einheimische Beeren zu Tiefkühlprodukten. In diesem Tiefkühl-Business gibt es wenige, aber sehr grosse Mitbewerber. Unsere sprichwörtliche Nähe zur Landwirtschaft ist das, was uns von diesen unterscheidet. Und genau das ist unsere grösste Stärke. Wir haben uns auf Produkte konzentriert, die früher fast ausschliesslich importiert wurden. Dazu gehören Blumenkohl, Broccoli, Romanesco oder auch Edamame oder Himbeeren. Die zunehmende Nachfrage nach Schweizer Herkunft war unser Türöffner im Detailhandel.

Auf welche Smart-Farming-Technologien setzen Sie bereits?
Dank dem eigenen Landwirtschaftsbetrieb, der quasi als Forschungsanstalt für neue Kulturen dient, und der eigenen Anbaufirma namens Conorti AG, welche Dienstleistungen im Anbau von Gemüse anbietet, agieren wir sehr effizient und professionell. Die laufende Prozessoptimierung und das grosse Know-how im Anbau ermöglicht es den Landwirten, wiederkehrende Arbeiten einzusparen, dadurch günstiger zu sein und bessere Erträge zu erwirtschaften. Wir sind mit Smart Farming erst am Anfang. Bislang beschränkte sich das auf den Einsatz von GPS auf dem Feld.

Sind in Zukunft weitere Technologiefortschritte geplant?
Wir haben nicht nur den Anbau, sondern auch die Verarbeitung von Gemüsen und Früchten unter unserer Verantwortung. Das heisst, wir haben eine sehr lange Wertschöpfungskette. Ich verstehe die Digitalisierung als Instrument, um an jedem Punkt dieser Wertschöpfungskette Daten zu sammeln, die für die nachfolgenden Prozesse zwecks Optimierung benutzt werden können. Da ist vor allem das Erfassen der Daten, der Transfer an die nachfolgenden Arbeitsschritte, die Definition der Massnahmen für ein effizienteres Arbeiten und die Steuerung der Prozesse durch die Digitalisierung selbst sehr wichtig.

Wir wissen beispielsweise genau, wie viele Setzlinge wir auf einer spezifischen Fläche im Frühling gepflanzt haben. Wir wissen auch genau, wie viele Kilogramm Blumenkohl wir auf jeder Fläche geerntet haben. Wir wissen aber nie, wie viele Setzlinge letztendlich einen Blumenkohl gegeben haben und wie viele Setzlinge vor der Ernte eingegangen sind. Dies zu wissen, und daraus Massnahmen abzuleiten, wäre über eine digitale Erfassung der geschnittenen Köpfe auf der Erntemaschine möglich.

Wenn wir das Gewicht jedes Kopfs erfassen können, wissen wir mittels Hochrechnung schon eine halbe Stunde nach Erntebeginn, wie viel Blumenkohl in der Verdunova AG zu verarbeiten ist. Der Produktionsplaner in der Verdunova AG wird über diese Information sehr dankbar sein, wenn er frühzeitig und nicht erst nach erfolgter Ernte planen kann, wie viele Arbeiter/innen er für die Nachtschicht einteilen soll.

Wie wichtig ist oder war es für Sie, den Schritt ins Smart Farming zu wagen?
Es gibt uns die Möglichkeit, noch effizienter zu arbeiten. Da es in unserem Business in der Regel immer um grosse Mengen geht, ist dank Skaleneffekt jede kleinste Verbesserung sehr sinnvoll. Ich stelle zudem fest, dass an Orten, wo viele verschiedene Leute zusammenarbeiten, häufig Kommunikationsprobleme entstehen. Digitalisierung ist auch Automatisierung, vor allem in der Kommunikation. Daten werden automatisch an die Stelle geleitet, die diese benötigt. Und letztendlich muss das Ziel sein, dass diverse Schritte in der Wertschöpfungskette durch die Digitalisierung selbst gesteuert werden.

Was bedeutet Smart Farming für Ihren Arbeitsalltag?
Ich gehe davon aus, dass dank dieser Hilfen, welche die Digitalisierung uns bringen kann, die tägliche Arbeit erleichtert wird. Informationen fliessen schneller und Überraschungen werden seltener. Zudem wird es Spass machen, Daten zu erheben, auszuwerten und daraus Schlüsse zu ziehen. Wenn Prozesse durch die Digitalisierung gesteuert werden, wird das meist besser und konsequenter gemacht, als wenn es händisch gemacht werden müsste. Als Landwirt und Agronom freue ich mich, mit der Unterstützung von Personen aus der Industrie und der Wissenschaft unsere Arbeit in die Richtung zu optimieren, wie das beispielsweise in der Automobilbranche bereits Tatsache ist. Ich denke, dass aus dieser Zusammenarbeit mit Landwirtschaft und Industrie in diesem Projekt erst die Ideen, was machbar und sinnvoll ist, definiert werden. Das heisst, wir wissen jetzt noch nicht, wo wir überall ansetzen werden.

Wie informieren Sie Ihre Kunden über die eingesetzten Techniken? Herrschen Vorurteile über die industrialisierte Landwirtschaft?
Unser Team in der Conorti AG und in der Verdunova AG hat einen klaren Auftrag: «Wir versorgen die Schweizer Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, mit Lebensmitteln, also mit Mitteln zum Leben.» Damit wir diesen Auftrag erfüllen können, müssen wir effizient arbeiten. Mit biologischem Anbau könnten wir diesen Auftrag beispielsweise nicht erfüllen. Dementsprechend kommuniziere ich auch und stelle fest, dass die Kunden das verstehen. Digitalisierung hilft uns zudem, Ressourcen einzusparen. Sei es bei der Energie, dem Arbeitsaufwand, bei Pflanzenschutzmitteln, Düngern und weiteren. Wichtig aber auch, so hoffe ich, dass durch die Digitalisierung die Traktoren wieder kleiner werden (z. B beim Jätroboter).

Der Hof Lindenmad arbeitet eng mit Verdunova zusammen. Diese Partnerschaft der beiden Unternehmen und die Kooperation mit der NTB lassen die Landwirtschaft als Ganzes von den neusten Technologien profitieren. Bereits seit einigen Jahren setzt Baumgartner auf seinem Hof bei der Saat auf modernste GPS-Technik. So werden die Setzlinge auf 2,5 Zentimeter genau gepflanzt. Smart Farming steckt in vielen Details – und gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Wir haben mit Manfred Baumgartner über den Einfluss von Smart Farming auf seinem Betrieb gesprochen.

Herr Baumgartner, was macht den Hof Lindenmad aus?
Der Hof Lindenmad zeichnet sich dadurch aus, dass Kundenwünsche flexibel und in möglichst kurzer Zeit abgewickelt werden.

Uns ist es wichtig, dass sowohl wir, aber auch unsere Geschäftspartner, profitieren. Sei dies nun ein Grossverteiler oder sei dies andere Landwirte. Ist dies nicht der Fall, kann längerfristig keine nachhaltige Beziehung gepflegt werden.

Wann haben Sie das erste Mal von Smart Farming gehört? Waren Sie sofort überzeugt, diese Technologien auf Ihrem Hof einzusetzen?
Den ersten Kontakt mit solchen Systemen hatte ich vor rund 20 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt konnten die ersten Traktoren mittels GPS Signal über die Felder fahren. Die Systeme waren jedoch noch anfällig und nicht für Schweizer Verhältnisse ausgelegt. Damals war klar, dass diese Technik irgendwann auch den Weg auf die Schweizer Felder finden wird. Es war aber nicht abzusehen, wie schnell und in welchem Umfang die Technik und Software entwickelt wird.

Mittlerweile hat sich der Begriff Smart Farming etabliert und man spricht von der Landwirtschaft 4.0. Die Entwicklung ging in etwa gleich schnell, wie beispielsweise bei den Mobiltelefonen oder Computern.

Können Sie sich vorstellen, noch mehr auf Ihrem Hof zu automatisieren? Gibt es bereits weitere Pläne?
Vorstellungen zur weiteren Automatisierung sind vorhanden. Auch die Technologien sind vorhanden. Das Problem liegt einzig und allein darin, dass die Schweizer Landwirtschaft tendenziell zu klein strukturiert ist und solche Technologien für die wenigsten infrage kommen. Es gibt aber definitiv weitere Pläne.

Ständige Weiterentwicklung, strenge Preispolitik und effiziente Arbeitsabläufe bestimmen den Alltag in der Landwirtschaft. Wie sehen Sie die Zukunft der Bauern in 10 bis 15 Jahren?
Mit Sicherheit wird sich der Schweizer Agrarmarkt ein wenig geöffnet haben. Dies wird zur Folge haben, dass die Produzentenpreise weiter unter Druck kommen. Ob der Konsument davon profitiert, sei dahingestellt.

Die Schweizer Landwirte werden sicherlich versuchen, effizienter und nachhaltiger zu produzieren. Das Preisniveau der EU wird aber nicht erreicht werden. Dafür sind die Produktionskosten in der Schweiz einfach zu hoch.

Ihr Hof verfügt über eine Biogasanlage und die Kartoffelernte stellen Sie beispielsweise mit grossen Erntemaschinen sicher. Sind die Arbeitstage tendenziell stressfreier oder ist lediglich die produzierte Menge grösser geworden?
Einerseits sind die produzierten Mengen grösser geworden, andererseits ist auch der Fall eingetreten, dass tendenziell die Erntefenster immer kleiner werden. Auch die Bestellungen für ein Produkt oder eine Dienstleistung kommen immer kurzfristiger. Leider kann oder will sich scheinbar niemand mehr die Zeit für eine genaue Planung nehmen.

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