Manager und Diplomatie – Kommunikation der Zukunft?

Manager und Diplomatie – Kommunikation der Zukunft?
Dr. Gerlinde Manz-Christ

Vor zweihundert Jahren schrieb man sich Briefe, die per Postkutsche befördert wurden. Später kamen Telefon und Fax, dann das Handy und die E-Mail. Heute gibt es zudem WhatsApp, Facebook, Twitter und Co. Wir kommunizieren ständig, weltweit und mit immer mehr Menschen. Weder Raum noch Zeit limitieren den Austausch.

Wie aber kann sich der Einzelne da noch bemerkbar machen, wie sich profilieren und nachhaltig ins Gedächtnis derer bringen, die ihm beruflich oder privat wichtig sind? Muss er atemlos posten, schreiben, simsen, reden? Ist es unabdingbar, ständig lauter, schräger, provokanter aufzutreten? Oder ist ein anderer Weg denkbar, um die eigene Persönlichkeit zu zeigen, die eigenen Leistungen zu transportieren, Konflikte zu lösen? Ich sage, ja! Und dieser Weg steht jedem offen. Mit diplomatischer Kommunikation gelingt nicht nur eine klare Positionierung, sondern lassen sich auch schwierige Situationen souverän meistern.

Die mediale Omnipräsenz verdeckt oft, dass hohe Geschwindigkeit einen Gegenpol braucht, um nicht zu wirkungsloser Hektik zu werden. Dynamik ist gut, aber sie muss sich abwechseln mit Phasen der entspannten Gelassenheit. Und das gilt nicht nur in Sachen Work-Life-Balance, sondern auch innerhalb der beruflichen Sphäre. Wer hier Inhalte an die Frau beziehungsweise den Mann bringen will, der wird nicht mit Quantität und Penetranz allein reüssieren. Er braucht die Kunst der Diplomatie, die seit jeher auch für das rechte Maß steht. Zunächst war allein die Politik ihr Spielfeld, mittlerweile ist sie auch in der Wirtschaft gefragt. Der Grund leuchtet ein: Auch Unternehmen agieren heute global, sind zunehmender Konkurrenz ausgesetzt und sehen sich einer Gesellschaft sowie einzelnen Kunden gegenüber, die wesentlich kritischer sind als früher.

Was Manager von Diplomaten lernen können
So mancher Manager wird sich nun vielleicht fragen, was er in seiner Firma mit Diplomatie zu schaffen hat oder von Diplomaten lernen kann. Nicht wenige stellen sich vermutlich Berufsdiplomaten eher auf Empfängen denn im wirklichen Leben stehend vor. Trinken die nicht nur Champagner und reichern Debatten allenfalls mit heißer Luft an, indem sie mit blumigen Worten genau gar  nichts sagen? Gestandene Führungskräfte aus der Wirtschaft sind tatsächlich meist überzeugt, sie würden das Kommunizieren mindestens genauso gut wie jeder Experte beherrschen. Tatsächlich aber beweist die Realität das Gegenteil, denn die meisten Krisen sind Kommunikationskrisen. Entweder wurde zuvor etwas falsch gemacht oder während der Krise – und das fast immer in punkto Übermittlung von Information, bei Antworten auf Fragen von Kunden oder den Formulierungen auf der Website.

Zugleich ist das negative Bild des Diplomaten in den Köpfen vieler Manager ein Zerrbild. Tatsächlich können sich Unternehmer eine Menge von der Diplomatie abschauen. Statt wachsweich zu sein oder anderen nach dem Mund zu reden, wissen Diplomaten, wie sie ihre Sache wirkungsvoll vertreten. Sie sind also verbindlich, aber keineswegs nachgiebig. Mithin gibt es keinen Widerspruch zum „harten“ Business. Geben sich etwa Regierungsvertreter vor laufenden Kameras lächelnd die Hand, wurden zuvor die jeweiligen Interessen und Ziele klar formuliert – hinter verschlossenen Türen, denn Diskretion ist eines der Erfolgsgeheimnisse der Diplomatie. Ja, die Grundhaltung und die Mittel sind bisher meist andere als in der Wirtschaft, was aber nicht heißt, dass sie nicht übertragbar sind. Es ist sogar dringend notwendig, innerhalb und zwischen Unternehmen etwas zu ändern, also sich Diplomaten als Vorbilder zu nehmen. Warum? Weil die Politik längst verinnerlicht hat, was Wirtschaftsbosse erst jetzt zur Kenntnis nehmen: Das Tun und Lassen eines einzelnen Staates oder Betriebes hat heute stets Einfluss auf das Ganze, es wird schnell weltweit publik und es hat mehr und mehr langfristige Folgen. Während in der Staatskunst immer auch die Weltgemeinschaft mitgedacht werden muss, ist in der Wirtschaftskunst der globale Markt zu berücksichtigen.

Das große Ganze im Blick haben
Über den eigenen Tellerrand hinausschauen, sich prinzipiell an alle wenden und zumindest bis in die mittelfristige Zukunft denken – für all das wenden Diplomaten seit Jahrhunderten erprobte Techniken an, die unter anderem in Klassikern von Macchiavelli oder von Clausewitz beschrieben werden. Mittlerweile haben sich die Rahmenbedingungen extrem gewandelt, sie sind sogar heute andere als vor fünf Jahren. Doch die grundlegenden Regeln für die Kommunikation besitzen trotz Technisierung und Digitalisierung solange Gültigkeit, wie wir es noch mit Menschen zu tun haben und die reale Welt von der virtuellen unterschieden werden kann. Ja, sogar künstlich geschaffene Wesen sollen menschenähnliche Eigenschaften, Bedürfnisse und Wünsche haben.

Was aber sind die Taktiken und Strategien, mit denen Diplomaten der eine entscheidende Schritt zum Erfolg gelingt, der bei „normaler“ Kommunikation häufig fehlt? Relevant sind vor allem vier Dinge: der persönliche Kontakt, der schon erwähnte Helikopterblick auf das große Ganze, das Setzen auf langfristige Beziehungen und die Fähigkeit, den anderen das Gesicht wahren zu lassen. Weil wir nicht mit unseren Online-Profilen verwechselt werden wollen, wünschen wir uns die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Das virtuose Spiel mit den modernen Medien reicht demnach nicht aus, was auch Umfragen belegen. In einer Online-Studie der Universität München gaben 61 Prozent der Befragten an, dass persönliche Kommunikation in Zukunft wichtig bleibt. 34 Prozent meinten, dass sie sogar wichtiger wird. Ergo: Wir brauchen weiterhin Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Beides sorgt für eine authentische anstelle einer maximalen Präsentation. Ehrlich rüberzukommen, statt permanent auf allen Kanälen präsent zu sein, ist das A und O.

Gefragt ist also ein Mix aus modernsten Kommunikationsinstrumenten und bewährten Methoden. Ich muss strukturiert vorgehen und die eigentlichen Probleme meines Gesprächspartners erkennen, die oft nicht mit den vorgetragenen Anliegen identisch sind. Ich muss kreativ und gleichzeitig entschlossen vorgehen, um schnell Lösungen zu finden und umzusetzen. Geradlinig, engagiert, souverän und kraftvoll zu kommunizieren, dabei aber auch elegant, ehrlich und höflich zu sein: Das transportiert Kompetenz und schenkt dem Gegenüber die Gewissheit, ernst genommen zu werden. So individuell auch jeder einzelne Fall ist, so allgemeingültig sind diese Grundprinzipien diplomatischer Kommunikation. Das zeigen auch die Beispiele aus meiner Beratungspraxis.

Diplomatische Kommunikation in der Praxis
Nehmen wir etwa ein großes Unternehmen, das mit seiner Vielzahl von Arbeitsplätzen das Leben einer ganzen Region prägt. Zwar leben zahlreiche Menschen und Familien von diesem Arbeitgeber, doch man identifiziert sich kaum mit ihm und bringt ihm wenig Wertschätzung entgegen. Da zudem noch die Mitarbeiter nach außen hin uneinheitlich auftreten, ist der Zusammenhalt des Betriebs gefährdet und kann er nicht seine volle Stärke ausspielen. Um das zu ändern, wurde eine Kommunikationsstrategie entwickelt, deren Umsetzung von den entsprechend trainierten Führungskräften ausgeht. Denn: Kommunikation ist eine Führungsaufgabe, die nicht delegiert werden kann. Entscheidend war es, mit allen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Ein Unternehmen besteht nicht aus dem pater familias (Vorstand) und seinen Kindern (Mitarbeiter), sondern ist ein Organismus, in dem alle voneinander abhängige und spezifische Aufgaben erfüllen. Dies zur inneren Einstellung zu machen, ist der erste Schritt zu einer erfolgsorientierten, diplomatischen Kommunikation.

Ein typisches Beispiel für Change Management ist der Maschinenbauer, der sich gleich mehreren Herausforderungen stellen muss. Da sind die vermehrte Konkurrenz aus Asien sowie neue Geschäftsmodelle der Kunden und deren Anspruch, bessere Qualität in kürzerer Zeit zu einem günstigeren Preis zu bekommen. Die Strategie, um all das zu bewältigen, existiert schon. Viele Mitarbeiter werden Neues lernen und anders arbeiten müssen als bisher. Der Betriebsrat ist deshalb skeptisch. Wie also die nötigen Veränderungen so kommunizieren, dass sie als einzige Chance auf einen langfristigen Erfolg des Unternehmens wahrgenommen werden? Auch hier liegt die Lösung – neben der kurzfristigen Überzeugungs- und Krisenkommunikation – in einem langfristig angelegten Konzept, welches Geschäftsführer und obere Führungsebene bei der Führungsaufgabe Kommunikation unterstützt. Dazu gehören die Definition von Zielen und das Erarbeiten von passenden Rahmenbedingungen. So wandelt sich erst die Art und Weise, wie miteinander umgegangen und geredet wird – und auf Basis dieser Kommunikation entsteht eine neue Unternehmenskultur, die den Veränderungsprozess befördert.

Ähnlich sieht es beim Bauunternehmer aus, der Schwierigkeiten mit Behörden hat, die ihm Genehmigungen erteilen sollen. Im Coaching lernte der Geschäftsführer, die Vorsicht der Beamten zu begreifen und wie man hier geschickt kommunizieren kann. Das Unternehmen stellte mit Hilfe von Coaching und individuell erstellten Sprachnotizen seinen Umgang mit den Behörden um. Statt in deren Reaktionen einen persönlichen Angriff zu sehen, wurden die Motive der Gesprächspartner ernst genommen. Im Gegenzug konnte auch der Bauunternehmer auf mehr Verständnis und Entgegenkommen bauen.

Letztlich fußt diplomatische Kommunikation immer darauf, den anderen nicht als Ressource oder aber als Hindernis, sondern als Mensch zu betrachten und zu behandeln. Wer die Regeln der Diplomatie berücksichtigt, findet sich auch in komplexen Gemengelagen zurecht und vertritt erfolgreich die eigenen Interessen. Verzichten kann darauf niemand mehr, weil sowohl Vernetzung als auch Transpararenz rasant zunehmen. Letztlich bedeutet das: Man kommuniziert diplomatisch oder man braucht bald gar nicht mehr zu kommunizieren.

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