Return to Ländle: Paris, Wien, Brüssel und Barcelona

Return to Ländle: Paris, Wien, Brüssel und Barcelona
Mag. Christina Marent

Mit 18 verließ Christina Marent, die sich selbst als „überzeugte Europäerin“ bezeichnet, das Ländle: von Paris über Wien und Brüssel nach Barcelona. 2011 kehrte die nunmehrige Leiterin der Abteilung Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer Vorarlberg (WKV) in die Heimat zurück, obwohl sie sich diesen Schritt gut 17 Jahre lang definitiv nicht vorstellen hat können. Aber erstens kommt es anders... Ein Gespräch über die „Blase“ Brüssel und das lebendig-laute Barcelona, darüber, was es im Bereich der Diplomatie alles zu lernen gibt und warum man im Ländle keine Ohrenstöpsel braucht.

Sie waren viele Jahre für die European Textile Collectivities Association (ACTE) tätig. Von 2004 bis 2007 in Brüssel, danach bis 2011 in Barcelona. Hatte das mit den „Vorarlberger Textilwurzeln“ zu tun, sozusagen ein „angeborenes Interesse“ für die Textilbranche?

Nein, wobei es während meiner Zeit in Barcelona sogar Gespräche gab, ob Vorarlberg der ACTE beitreten soll. Ich bin aber eher zufällig über die Stellenausschreibung der ACTE gestolpert und zwar während meines zweiten Praktikums in Brüssel. 2004 war ich fünf Monate bei einer Consulting-Agentur tätig, jedoch konnte die Anstellung nach fünf Monaten leider nicht verlängert werden. Allerdings war ich schon immer eine überzeugte Europäerin und wollte mir, da ich ohnehin schon in Brüssel war, die Chance nicht nehmen lassen, mich dort umzuschauen. Und bei der ACTE wurde jemand gesucht, der unter anderem Spanisch konnte.

Was ist die ACTE eigentlich?
Es ist ein Verband von Gemeinden, Städten und Regionen, die im Bereich Textil stark bzw. von der Textilbranche stark abhängig sind oder dies in der Vergangenheit waren. Es ist also keine Vereinigung von Textilunternehmen, sondern eine territoriale Interessensvertretung mit Hauptsitz in Portugal.  

Und wie kam es zum Wechsel von Brüssel nach Barcelona?
In Brüssel war ich als Delegierte des Verbandes tätig. Das war spannend, zum Teil aber auch  ernüchternd, einerseits weil man sich in Brüssel wie in einer Blase bzw. unwirklichen Welt fühlt, andererseits waren es rein persönliche Gründe: Brüssel war einfach nicht mehr „meine Stadt“. Im Rahmen der Verbandstätigkeit hatte ich allerdings einen engen Kontakt mit Vertretern der Provinzverwaltung Barcelona, die mir anboten, für sie zu arbeiten.  Ich musste dann für mich die Entscheidung treffen: Zurück nach Wien oder auf nach Barcelona. Und da ich erstens nach meinem Auslandsjahr während des Studiums immer wieder zurück wollte, und mir zweitens nie selbst vorwerfen wollte, dass ich diese Chance nicht genutzt habe, entschied ich mich für Barcelona.

Ich nehme an, es war die richtige Entscheidung?
Absolut. Es waren tolle Jahre mit spannenden Aufgaben, schließlich war ich nicht nur Referentin der Präsidentschaft, sondern nicht zuletzt aufgrund meiner Sprachkenntnisse auch Referentin für internationale Beziehungen der Abteilung für Wirtschaftsentwicklung. Ich war aber in gewisser Weise eine „Exotin“ als einzige Ausländerin bzw. Westeuropäerin in dieser Behörde – da treffen schon Welten aufeinander.

Da sie gerade Ihre Sprachkenntnisse erwähnt haben: Sie sprechen ja nicht nur Spanisch...
Nein. Abgesehen von Englisch, habe ich während meiner Zeit als Au-Pair in Paris Französisch gelernt, im Studium dann Spanisch und für den Job in Barcelona musste ich zusagen, Katalanisch zu lernen. Sprachen haben mich schon immer sehr interessiert. Das ist eine Leidenschaft von mir und ich habe das Glück, dass ich mir leicht damit tue, Sprachen zu lernen.

Apropos Lernen: Sie haben nach Ihrem Studium die Diplomatische Akademie Wien absolviert. Wollten Sie denn in den diplomatischen Dienst?
Nein. Es war vielmehr so, dass ich mir die Akademie aus reinem Interesse bei einem Tag der offenen Tür angeschaut habe – ich habe damals gerade an meiner Diplomarbeit gearbeitet. Und irgendwie war ich der Meinung, dass eine solche Zusatzausbildung gut wäre – nach dem eher generalistischen Studium. Während des Praktikums beim Außenministerium habe ich aber recht schnell gemerkt, dass der diplomatische Dienst nichts für mich ist. Dennoch möchte ich diese Ausbildung nicht missen, immerhin beinhaltet der Lehrplan neben Bereichen wie zum Beispiel internationale Beziehungen, Völker- und Europarecht, auch viele Soft Tools, wie Internationale Verhandlungstechniken, Rhetorik usw. Das alles fand dreisprachig statt, also auf Deutsch, Englisch und Französisch. Außerdem waren von den rund 20 Teilnehmern meines Jahrgangs nur knapp die Hälfte Österreicher, der Rest kam von überall her.

Klingt interessant. Doch zurück nach Barcelona oder vielmehr zu Ihrer Entscheidung, wieder in die Heimat zurückzukehren – und nicht etwa nach Wien...
(Lacht) Ja, das war gewissermaßen der große Bruch und ich muss auch ehrlich sagen, dass es nach wie vor Momente gibt, in denen ich es recht „komisch“ finde, dass ich heute wieder hier bin. Ich bereue es nicht – absolut nicht. Aber in all den Jahren davor, wäre mir nie in den Sinn gekommen, wieder nach Vorarlberg zurück zu gehen. Es war allerdings keine „Hals-über-Kopf“-Entscheidung, sondern viel eher ein langsamer und langer interner Prozess. Barcelona war toll, trotzdem hatte mein Herz sozusagen immer öfter Heimweh, während mein Kopf noch recht lang gesagt hat: „Du kannst doch nicht...“. Ich habe mit der Zeit aber einfach gemerkt, dass ich ein bisschen großstadtmüde geworden bin, habe mich gestresst gefühlt, genervt von den vollen U-Bahnen, dem Stress der großen Stadt und dem Lärm: Gegen Ende konnte ich zum Beispiel nur mehr mit Ohrenstöpsel schlafen, weil ich extrem lärmempfindlich geworden bin. Es hat mich einfach wieder nach Hause gezogen und irgendwann war ich auch innerlich soweit, meine Rückkehr nicht als ein „Versagen“ zu empfinden.

Hat der Job – Sie sind seither ja Leiterin des Bereichs Außenwirtschaft bei der WKV – die Entscheidung erleichtert?
Nein, denn ich habe den Entschluss schon ein Jahr vor meiner Rückkehr gefasst. Zu dem Zeitpunkt habe ich also noch gar nichts von dem Job gewusst. Und an sich wollte ich sowieso erst einmal eine Pause einlegen, wieder zuhause ankommen, schließlich war ich seit meinem 18. Lebensjahr weg und habe die Hälfte meines Lebens in Wien bzw. im Ausland gelebt.

Doch erstens kommt es anders...
Genau. Ein Bekannter hat mir von dem Job bei der WKV erzählt und obwohl ich erst das Gefühl hatte, dass mir das zu schnell ging, habe ich mich beworben – und die Stelle bekommen. Heute bin ich glücklich darüber – trotzdem: Es ist alles sehr schnell gegangen. Zu Beginn war es übrigens komisch, auf Deutsch zu mailen oder generell zu arbeiten. Ich meine, ich habe zuvor mein ganzes Berufsleben in anderen Sprachen kommuniziert.

Abgesehen von der Sprache: Wie unterscheidet sich das Leben hier von jenem in Brüssel oder Barcelona – wenn man das überhaupt so sagen kann?

Nun, für mich ist es vor allem das Durchatmen-Können. Aber auch die Ruhe ist etwas sehr wertvolles – speziell am Anfang war das richtig „neu“ für mich. In gewisser Weise musste ich mich, nach all dem Lärm in Barcelona, erst wieder daran gewöhnen. Es ist einfach herrlich, wenn man plötzlich wieder bei offenem Fenster schlafen kann. Abgesehen davon kann man Vorarlberg selbstverständlich nicht mit Barcelona oder Brüssel vergleichen – genauso wenig wie man Brüssel mit Barcelona vergleichen kann. Brüssel ist wie ein kleines Europa, allerdings habe ich in den vier Jahren, in denen ich dort gelebt habe, keine Belgier kennengelernt, was ich nach wie vor seltsam finde. Barcelona ist sehr spannend und lebendig, allerdings ist mir das mit der Zeit eben zu viel geworden. Außerdem war die Wirtschaftskrise zu spüren, beispielsweise gab es vermehrt Überfälle in der U-Bahn oder im Café. Da lernt man die Sicherheit hier erst schätzen. Aber ich möchte weder das eine noch das andere idealisieren. Die Jahre im Ausland waren toll und das Fernweh wird mir wohl immer bleiben.  

Factbox
Mag. Christina Marent (1975)

Seit August 2011 Leitung Abteilung Außenwirtschaft, Wirtschaftskammer Vorarlberg

  • 1994 – 2002: Universität Wien (Politikwissenschaft und Fächerkombination aus Völker- und Europarecht und Spanisch) und Diplomatische Akademie Wien
  • 2002 – 2004: Praktika in Paris, Wien und Brüssel
  • 2004 – 2007: Delegierte in Brüssel der European Textile Collectivities Association (ACTE) in Brüssel
  • 2007 – 2011: Referentin der ACTE-Präsidentschaft sowie Referentin für internationale Beziehungen in der Abteilung für Wirtschaftsentwicklung der Diputación de Barcelona (Provinzverwaltung Barcelona)
  • Wohnt in Bregenz

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