Motoren drehen sich wie von Geisterhand – praxisbezogener Laborunterricht im Zeichen der Corona-Pandemie

Motoren drehen sich wie von Geisterhand – praxisbezogener Laborunterricht im Zeichen der Corona-Pandemie

Wie können Studierende im Labor arbeiten, wenn sie die Hochschule wegen Corona nicht besuchen dürfen? Die NTB fand hierfür Lösungen, die sowohl für Studierende als auch für Dozierende einen grossen Mehrwert brachten – aber auch einiges an Flexibilität erforderten. Gespräch mit dem Studiengangleiter «Systemtechnik», Prof. Dr. M. C. Wilhelm, und dem Dozenten für Regelungstechnik, Prof. Dr. R. Pickhardt.

Die NTB ist ja bekannt für ihre besonders praxisnahe Ausbildung. Welche besonderen Anforderungen werden an den Laborunterricht gestellt?

Wilhelm Im Labor lernen die Studierenden das in den eher theoretischen Vorlesungen und Übungen erworbene Wissen auch praktisch «Hands-on» anzuwenden und es auf diese Weise zu festigen. Das ist geradezu der «Markenkern» der Ingenieurausbildung einer Fachhochschule.

Pickhardt Genau dieses praktische Arbeiten schien nach der Schliessung des Campus zunächst vollständig «wegzubrechen ». Im Labor nutzen die Studierenden die dort verfügbaren Messgeräte und die vorhandenen Versuchsaufbauten. Dies bedingt erstmal, dass die Studierenden auch physisch anwesend sein müssen. In den ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenfächern, wozu in unserem Studiengang insbesondere die beiden Module «Systemtechnik A» und «Systemtechnik B» gehören, spielt der Laborunterricht eine wesentliche Rolle.

Das sieht nun nach einem fast unlösbaren Problem aus.
Wilhelm Das ist es teilweise auch. Man kann das nicht vollständig ausgleichen. Aber für verschiedene Versuche nutzen die Studierenden zur Messwerterfassung die im Labor vorhandenen PCs – da haben wir angesetzt.

Wie sind Sie vorgegangen?
Pickhardt Wir haben uns überlegt, dass wir doch einige Versuche trotzdem real durchführen könnten. Unsere Informatikabteilung hat uns dabei unterstützt, einige PCs so aufzurüsten, dass diese per «Remote Desktop» gesteuert werden können. Mit diesem Programm können sich die Studierenden via Internet auf einem dieser Labor-PCs einwählen und diesen von zu Hause aus so benutzen, als sässen sie im Labor. Wir haben das bei mehreren Praktikumsversuchen inzwischen schon gemacht, u. a. zur Drehzahlregelung eines Elektromotors. Die Studierenden erstellen in einer Gruppenarbeit das Programm, mit dem sie den Versuch durchführen. Dieses installieren sie auf dem Labor-PC und steuern so die Messdatenerfassungskarte im Labor an. Damit läuft der Versuch, und die Studierenden können die relevanten Signale erfassen und anschliessend zu Hause auswerten. Damit können sie wie beim Präsenzunterricht die Regelung konfigurieren. Die Ergebnisse präsentieren sie im Distanzunterricht. Die Lern- erfolge werden dann durch uns benotet.

Das klingt recht kompliziert. Funktioniert das vollautomatisch und können Sie das mal demonstrieren?
Pickhardt Ja und nein: Der Regler ist mit elektronischen Bauteilen aufgebaut, die gezielt angepasst werden müssen. Aber wie das genau zu geschehen hat, planen und entscheiden die Studierenden. Die betreuenden wissenschaftlichen Mitarbeiter und ich sind im Labor und kommunizieren mit den Studierenden via Teams. Die Studierenden geben uns vor, was wir tun sollen, z. B. welche Bauteile wir auf der Reglerplatine für einen von ihnen geplanten Versuch ändern sollen. Dies tun wir dann, und die Studierenden starten die Messungen. Ingenieursarbeit par excellence: Produkte und Abläufe so planen, dass sie auch von anderen realisiert werden können.

Stimmt – am Rechner sieht man nichts, aber der Motor führt Bewegungen aus …
Wilhelm Die Studierenden sind motiviert dabei. Und auf diese Weise können wir zumindest teilweise doch ein «Labor-Feeling» schaffen. Das ist wie gesagt kein Selbstzweck. Es ist einfach etwas anderes, ob man einen solchen Elektromotor simuliert – oder ob er wirklich läuft und die Signale echt gemessen wurden und dann sogar mit der Simulation zusammenpassen.

Können Sie der virusbedingten Schliessung auch positive Seiten abgewinnen? Wird sich dadurch der Unterricht dauerhaft ändern?

Wilhelm Einige zunächst ungewöhnliche Abläufe oder Situationen werden «normal» werden. Dazu gehört sicher auch, dass man häufiger per Internet vom Schreibtisch aus kommuniziert oder Sprechstunde macht, ohne physisch anwesend zu sein. Das gilt nebenbei nicht nur für das Studium, sondern auch für Projekt- und Arbeitsbesprechungen über alle Standorte hinweg und natürlich auch mit den Industriepartnern. Selbst hier im «kompakten» Rheintal ist das viel effektiver, als immer irgendwo hinfahren zu müssen. Die Hemmschwellen zur Anwendung dieser Werkzeuge existieren nach Corona praktisch nicht mehr, höchstens eine vorübergehende «Müdigkeit», weil alles sehr schnell und intensiv umgesetzt wurde.

Pickhardt Ich bin überzeugt, dass für den Unterricht der direkte persönliche Kontakt nicht ersetzbar ist. Man sieht es den Studierenden an, ob ein behandelter Sachverhalt «angekommen » ist. Fragende Gesichter können Bände sprechen! Da bin ich froh, wenn die Schliessung beendet ist und der normale Kontaktunterricht endlich wieder stattfinden kann. Für manche unterrichtsbezogenen Projektarbeiten könnte man aber weiterhin wie eben geschildert einen Zugang bereitstellen. Wenn die Studierenden zu Hause nochmals repetieren oder etwas ausprobieren wollen, können sie das spontan tun. Auch ohne selbst anwesend sein zu müssen und vor allem zu einer beliebigen Uhrzeit – zu ihrer Lernzeit.

Fazit zum Distanzunterricht der NTB
Die Corona-Krise hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, nachhaltig verändert. Die NTB hat bewiesen, dass sie als eher kleine Hochschule über eine grosse Flexibilität verfügt. Sie wird auch im Bachelorstudium Systemtechnik in Buchs und St.Gallen die positiven Erfahrungen mit Distanzunterricht dauerhaft in die Unterrichtspläne einfliessen lassen. Aber nur dort, wo es sinnvoll ist! Digitalisierung in sehr konkreter Form. Aus der Praxis – für die Praxis.

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