Eva Kössler: „Bio muss salonfähig werden“

Eva Kössler: „Bio muss salonfähig werden“
Eva Kössler und Roberto Petruzzi

Ende November 2013 hat sich Eva Kössler ihren langjährigen Traum erfüllt und gemeinsam mit ihrem Mann Roberto Petruzzi, gebürtiger Italiener, in Rankweil den Bioladen Basilikum eröffnet. Neben italienischen, aber auch regionalen Bioprodukten, gibt es im acht bis zehn Sitzplätze umfassenden Bistro kleine, feine Köstlichkeiten: Squisito!
Im Interview erzählt Kössler, was man im Basilikum unter regional und saisonal versteht, wie es dazu kam, dass die einstige „Lebensmittelverweigerin“ heute eine bewusste Genießerin ist und was es mit nachhaltig, ökologisch und stets dem Gemeinwohl dienend auf sich hat.

Wie kam es denn dazu, dass sie einen italienischen Bioladen eröffnet haben?

Schon seit vielen Jahren liegt mir Bio sehr am Herzen und schon vor dem Basilikum führte ich einen kleinen Bioladen in Sulz. Dann aber habe ich meinen Mann kennengelernt und bin für etwa ein dreiviertel Jahr zu ihm in die Toskana gezogen, wo wir unsere Liebe zum Essen gemeinsam entdecken und so richtig ausleben konnten – die Italiener sind in dieser Hinsicht ja Spezialisten. Mein Mann ist ein leidenschaftlicher Hobbykoch und wir haben die Produkte meist direkt beim Bauern gekauft – einige davon zählen bis heute zu unseren Lieferanten. Und irgendwann war die Idee geboren, hier einen Laden aufzumachen – mein Traum war es ja immer schon, selbstständig zu sein. Mein Mann hat also sein Geschäft in Arezzo verkauft – er war Herrenfriseur – und wir sind nach Vorarlberg gezogen.

...um die Vorarlberger mit italienischen Bioprodukten zu verwöhnen...

Ganz so schnell ging es nicht, denn abgesehen von der Idee mit dem Bioladen, wollten wir ein kleines Bistro. Also haben wir erst einmal unsere Fühler ausgestreckt, das eine oder andere Restaurant besucht und uns überlegt, wie wir das am besten kombinieren könnten. So entstand unser Bioladen Basilikum, wo es italienische und regionale Produkte zu kaufen gibt, wo man aber auch einfache Speisen genießen kann.   

Was für „einfache Speisen“ stehen denn auf der Karte?  
Das kommt darauf an, was wir auf Lager haben, denn bei uns wird nur saisonal gekocht. Eine Suppe gibt es aber eigentlich jeden Tag. Wir legen außerdem sehr viel Wert darauf, so wenig wie möglich in den Müll bzw. auf den Kompost zu werfen. Das heißt: Wenn wir einmal zu viel Brot übrig haben, gibt es z.B. Knödel oder einen italienischen Brotsalat.

Saisonal-italienische Resteverwertung sozusagen...
Kann man sagen. Saisonalität wird bei uns sowieso sehr groß geschrieben! So holen wir etwa alle zwei, drei Monate frischen italienischen Mozzarella, Prosciutto aus Arezzo oder Parmesan direkt aus Parma und natürlich gibt es genauso unseren Walserstolz oder etwa Butter aus Marul, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Allerdings hängt das stets davon ab, ob der Bauer bzw. Lieferant das jeweilige Produkt tatsächlich lagernd hat. Wir sind nämlich der Meinung, dass man sich wieder darüber bewusst werden sollte, dass nicht immer alles verfügbar ist. So gibt es z.B. jetzt im Herbst wieder den guten italienischen Essig, Olivenöl ist voraussichtlich erst wieder im November verfügbar. Viele unserer Stammkunden warten gerne, denn sie schätzen diese Art der Saisonalität genau so wie wir. Viele von ihnen wissen mittlerweile genau, wann die frischen Produkte erhältlich sind – entsprechend schnell sind wir oft ausverkauft. Andere wiederum wollen nicht warten und kaufen, was gerade im Laden ist.

Ich nehme an, Sie unternehmen auch „kulinarische Entdeckungsreisen“?
Ja und dabei gibt es immer sehr viel zu entdecken – sei es auf der einen oder anderen Messe oder wenn wir direkt zu den Produzenten fahren. In Südtirol gibt es z.B. einen Affineur, der den Schnifner Laurentius in Rotwein einlegt und diesen in einem ehemaligen Mussolini-Bunker lagert. Ein anderes Beispiel für eine, wenn man so will, „kulinarische Entdeckung“, ist ein Camembert mit einer Schicht Schokolade oder mit Blättern eines Baumes in der Mitte. Oder auch im Heu gelagerte Käsesorten. Derart spezielle Käsesorten gibt es bei uns im Laden zu kaufen oder im Rahmen einer abendlichen Verkostung inklusive Weindegustation.

Darf ich fragen, wie biologisch, regional und saisonal Sie selbst leben?
Wir essen nur, was wir im Geschäft haben. Natürlich gehen wir hin und wieder auswärts essen, unter anderem um Ideen und Erfahrungen zu sammeln. Aber auch dabei achten wir sehr auf regionale und saisonale Küche.

Und was zählt zu ihren Lieblingsspeisen bzw. Lieblingsprodukten?
Ich liebe Eintöpfe. Allerdings habe ich gerade Smoothies für mich entdeckt, die wir seither auch im Laden servieren. Übrigens kochen wir gelegentlich vegan, weil wir sehr viele Kunden haben, die sich vegan ernähren. Ich selbst esse schon Fleisch bzw. tierische Lebensmittel, aber nur, wenn ich weiß, woher die Produkte kommen, wenn ich den Bauern kenne, weiß, wie er mit den Tieren umgeht, wie sie geschlachtet werden usw. Dann gönne ich mir hin und wieder ein gutes Stück Fleisch.

Warum liegt Ihnen Bio eigentlich schon so lange am Herzen?
Es gab da in gewisser Weise ein „ausschlaggebendes Erlebnis“: Ich hatte einmal eine Zucchini im Kühlschrank, die nach circa vier Wochen noch in tadellosem Zustand war. Da war mir klar: Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Abgesehen davon hatte ich in früheren Jahren ständig Probleme mit dem Essen. Zum einen wegen dieses allgemeinen Schlankheitswahns. Zum anderen weil ich in einer Zeit aufgewachsen bin, in der man aufessen musste, was auf dem Teller lag. Und da waren zum Teil Dinge dabei, die mir wirklich nicht geschmeckt haben – und bis heute nicht schmecken. Trotzdem musste damals aufgegessen werden. So kam es, dass Essen für mich zur Quälerei und die Liste jener Produkte, die ich nicht essen wollte und konnte, immer länger wurde. Und ich wurde immer kränker und kränker. Als ich in die Toskana gezogen bin, habe ich anfangs fast gar nichts gegessen, jedem Lebensmittel ordnete ich eine Allergie zu. Doch mein Mann hat mich – und dafür bin ich ihm sehr dankbar – langsam wieder „ans Lebensmittel herangeführt“. Heute bin ich eine richtige Genießerin – eine bewusste Genießerin, ich muss nämlich wissen, woher die Produkte kommen. Und wenn ich dann noch sehe, wie mein Mann kocht...

...Sie kochen nicht?
Nein, ich esse. Mein Mann kocht (lacht).

Braucht es Ihrer Meinung nach mehr Biogeschäfte wie das Ihre?

Absolut.

Bleibt die Frage: Können wir uns das leisten?
Wir können. Eine Kundin hat einen Selbstversuch unternommen und sich und ihre Familie – vier Kinder, der Mann ist Lehrer – ein Jahr konventionell und ein Jahr biologisch ernährt. Sie hat alles notiert und unterm Strich kam fast dieselbe Summe heraus. Allerdings habe sie während des „konventionellen“ Jahres sehr viele Produkte in Aktion gekauft, dadurch oft mehr als sie eigentlich brauchten und in der Folge sehr viel weggeworfen. Als sie sich rein biologisch ernährt haben, habe sie viel bewusster eingekauft und sich außerdem mehr Zeit zum kochen genommen. Klar, früher hatte Bio einen gewissen Touch: Das waren die Grünen mit wallenden Kleidern oder die „Müsli-Esser“. Das ist heute zum Glück nicht mehr so, aber die Frage nach der Leistbarkeit wird dennoch immer wieder gestellt. Fakt ist jedoch: Bio hat Qualität und deshalb muss Bio salonfähig werden.
Im Übrigen haben wir uns im Laden ganz bewusst auch für Recycling-Möbel entschieden: Die Regale sind aus Paletten und das Holz kommt von einem alten Holzhaus, das abgerissen wurde. Außerdem haben wir stille Gesellschafter mit Genussrechten. So kann man z.B. 500 Euro in das Geschäft investieren und bekommt vier Jahre jeweils ein Viertel in Form von Gutscheinen zurück, plus zehn Prozent als Zuckerl jährlich. So kann sich der Kunde gesund ernähren und sieht, wie das Geschäft wächst. Das Geld bleibt im Dorf und für uns ist es eine Art der Kundenbindung. Alles in allem arbeiten wir also nachhaltig, ökologisch und stets dem Gemeinwohl dienend.

Heini Staudinger hatte mit solchen Crowdfunding-Projekten ja Schwierigkeiten...
Stimmt. Ich habe Herrn Staudinger deswegen sogar kontaktiert und gefragt, wie wir diesen Weg gehen können, ohne Probleme zu bekommen. Wir haben alles ganz genau mit dem Rechtsanwalt abgeklärt, unser Unternehmensberater Gernot Jochum Müller (Anm.: Chef des Talentetauschkreises, man kann im Basilikum auch mit Talenten und V-Talern bezahlen) hat uns dabei sehr unterstützt und wir werden diese Art der Finanzierung weiterhin forcieren. Natürlich ist es ein Risiko, aber das ist es immer, wenn man sich selbstständig macht und finanzielle Mittel benötigt. Ich kann jedoch sagen: Es war der richtige Weg und ich kann nur jedem dazu raten.

Factbox
Eva Kössler (52)

...führt zusammen mit ihrem Mann Roberto Petruzzi den Bioladen Basilikum in Rankweil (www.facebook.com/Basilikumshop)

  • Hobbys: Lesen („Entspannung pur“) UND Kooperationen im Sinne der Nachhaltigkeit, Ökologie und dem Gemeinwohl
  • Lebt mit ihrem Mann in Klaus

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