Einer für alle, alle für einen

Einer für alle, alle für einen
Arkadi Jeghiazaryan, Gründer von AMLOGY

Man glaubt kaum, dass er erst 21 ist, so versiert klingen seine Worte. Arkadi Jeghiazaryan, Gründer von AMLOGY, hat schon viel erlebt. Und noch mehr selbst auf die Beine gestellt.

Geboren am 1.4.1996 in Russland, ist der ursprünglich aus Armenien stammende Arkadi ziemlich »multikulti«, wie er meint. Im April 2007 sind er und seine Eltern als Flüchtlinge nach Österreich gekommen. Sein älterer Bruder Minas ist ein halbes Jahr später nachgezogen. Weil er und seine Familie seither viel Unterstützung in Österreich erfahren haben, wollen sie jetzt etwas davon zurückgeben. Vor rund zwei Jahren haben die beiden Brüder AMLOGY gegründet, ein auf Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) spezialisiertes Unternehmen. Der Name steht übrigens für Arkadi-Minas-technoLOGY. Weil Arkadi aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig Lernen sein kann, wenn man die entsprechende Sprache nicht spricht, liegt ihm besonders das Thema Bildung am Herzen. Hehres Ziel: Innerhalb der nächsten Jahre will er »Österreichs Schulbücher zum Leben erwecken«.

Wie haben Sie es erlebt, als Sie vor zehn Jahren nach Österreich gekommen sind? Konnten Sie sofort in die Schule gehen? Sie werden damals ja noch kein Deutsch gesprochen haben …
Wir sind Ende April in Österreich angekommen, das heißt, das Schuljahr war schon fast zu Ende. Ich bin trotzdem in die 1. Klasse Hauptschule gekommen, weil alle meinten: Er muss in die Schule, er muss zumindest irgendwas machen, dann bleibt er ohnehin sitzen und kann ab Herbst die erste Hauptschule wiederholen.

Und so kam es dann auch?
Nein. Für Mathe brauchst du keine Sprache, zählen kann ich, in Rechnen war ich immer gut. Deswegen haben die Lehrer gesagt, es bringt nichts, wenn ich sitzen bleibe, weil ich auf gewissen Gebieten sogar weiter als die heimischen Schüler war. Somit bin ich im Herbst in die 2. Klasse Hauptschule gekommen und so ging es weiter. Ich bin nie sitzen geblieben, habe das durchgezogen und mich bemüht, überall durchzukommen. Mathe hat mich durchgebracht, ich war schneller als andere, war immer schon ein Mathe-Freak.

Wie viele Sprachen sprechen Sie eigentlich?
Ich habe festgestellt, dass ich drei Muttersprachen habe: Armenisch und Russisch waren die ersten Sprachen, die ich gelernt habe. Kürzlich hab ich gelesen, wenn man bis zum 14. Lebensjahr noch eine weitere Sprache erlernt, gilt die auch als Muttersprache, weil bis dahin die Lernfähigkeit noch so enorm ist, dass man die Sprache fließend und wirklich gut sprechen kann. Als ich mit zehn Jahren nach Österreich gekommen bin, hab ich Deutsch gelernt. Und parallel dazu noch Englisch.

Also haben Sie sogar vier Muttersprachen …
Genau, stimmt. Und drei verschiedene Schriften.

Kompliment, das ist beachtlich! Und Sie sprechen wirklich fließend Deutsch, wie ich feststelle …
Ja, wobei mein Deutsch sich im Laufe der Jahre verändert hat. Meine Nachhilfelehrerin hat mir ermöglicht, in eine Privatschule zu gehen, sie hat meine Schule bezahlt. Ich nenne die Menschen, die mir geholfen haben … das sind meine Engelchen, die mich da durchgebracht haben. Sie ist so ein Engelchen. An der Privatschule gab es einen Lehrer, der mich sehr gefördert hat, der alles gemacht hat, damit meine Sprache besser wird, meine Grammatik, meine Rechtschreibung, so dass ich die Matura dann auf einen Dreier geschrieben habe. Das war sein Werk.

Das bedeutet, Sie haben nach der Hauptschule aufs Gymnasium gewechselt, wenn Sie Matura haben?
Das war die nächste Herausforderung, weil dort war es ein bisschen strenger, das ist nochmal eine Stufe höher. In der letzten Hauptschulklasse, da war ich ja erst drei Jahre hier, hab ich mich anstrengen müssen, damit ich überall gute Noten hab, keine Vierer zum Beispiel. Das war schon eine Herausforderung, aber die hab ich auch gemeistert.

Wie ging’s danach weiter?
Ich studiere Rechtswissenschaften, weil es mir ein Anliegen war, ein Grundwissen zu haben, damit ich Menschen helfen kann. Wir haben vor, einen Verein zu gründen, wo man Menschen hilft, zum Beispiel Migranten, die eben nicht so gut mit der deutschen Sprache umgehen können oder neu in Österreich sind, dass die in der Lage sind, einen Antwortbrief zu verfassen, wenn sie einen Brief vom Vermieter bekommen in dem steht, dass sie in den nächsten zwei Wochen aus der Wohnung raus müssen. Neben der Gründung von AMLOGY blieb jetzt aber noch keine Zeit, den Verein auf die Beine zu stellen, aber das kommt noch.

Sie haben sich in der Schule nicht unbedingt leicht getan – ist das mit ein Grund, warum Sie mit Ihrem Bruder AMLOGY gegründet haben?
Ja, das ist der Grund gewesen. Ich bin zwar durchgekommen, aber leicht war’s nicht. Dass ich in Mathe gut war, hat mich gerettet, sonst wäre ich sitzen geblieben. Ich habe keine anderen Fächer gelernt als Deutsch und Mathe. Die Nebenfächer wie Geschichte, Physik, Biologie und so weiter sind nicht mal angeschaut worden, obwohl das meiner Meinung nach die wirklich wichtigen Fächer sind. Man war der Meinung, ich kann kein Deutsch, deswegen kann ich die anderen Fächer nicht lernen und ich soll mich lieber auf Deutsch konzentrieren.

So entstand also die Idee zu AMLOGY …
Genau. Mithilfe von Augmented Reality, kurz AR, können wir Schulbücher zum Leben erwecken und den Stoff verständlich machen, auch wenn man die jeweilige Sprache nicht spricht.

Können Sie kurz den Unterschied zwischen Augmented und Virtual Reality erklären?
Bei Virtual Reality bin ich ganz woanders und quasi abgeschirmt von der bestehenden Realität – meistens muss ich mir eine Brille aufsetzen und befinde mich dann in einer ganz anderen, computergenerierten Welt. Bei Augmented Reality hingegen bleibe ich in meiner Realität und füge Informationen hinzu, 3D-Objekte oder ein Video. Augmented Reality heißt ja auch erweiterte Realität. Wir fügen in unserer Umgebung Informationen hinzu, zum Beispiel werden Bücher belebt, und dann sehen wir, wie aus einem Bild, aus einer Grafik eine Animation entsteht.

Dazu brauche ich wahrscheinlich eine entsprechende App, richtig?
Ja, da brauche ich eine App und ein mobiles Gerät, das kann ein Tablet oder Handy oder was auch immer sein. Wir arbeiten hier mit einem internationalen Partner zusammen: Arloopa Inc., das ist ein US-basiertes Unternehmen, wir sind Generalvertreter im europäischen Raum. Wir haben in Österreich zwar unsere Ideen und unsere Lösungen, verwenden aber die Technologie von Arloopa, um Dinge zum Leben zu erwecken. Dadurch können wir höchste Qualität liefern und uns sicher sein, auch wirklich etwas Besonderes auf die Beine stellen zu können.

Wie ist die Resonanz bis jetzt in Österreich?
Eigentlich sehr schlecht, aber wir geben nicht auf. Viele möchten es haben, wenn es dann aber darum geht, die Leistung zu zeigen und was alles dahintersteckt, sind die Unternehmer meistens ein bisschen verhalten à la »Das können wir uns jetzt nicht leisten oder doch nicht auf die Beine stellen« …

Wenn wir uns das Thema Bildung, das ja Ihr Herzensprojekt ist, anschauen: Sie gehen auch direkt in Schulen, zu Lehrern und Schülern. Die erkennen aber doch den Wert und unmittelbaren Nutzen, oder?
Die Schüler erkennen den Wert und die Lehrer sind genauso begeistert. Wir hatten kürzlich zwei Vergleichsklassen: Die Klasse, die mit AR ausgestattet war, war innerhalb von 40 Minuten fertig. Die ohne AR hat volle zwei Stunden gebraucht, bis sie mit den Arbeitsaufgaben weitergekommen sind.

Woran hapert’s dann?
Was uns fehlt, ist Unterstützung von der Öffentlichkeit, von der Politik. Die Politiker müssen dahinter stehen, sagen, sie bringen das Thema voran, weil sie einen Mehrwert haben wollen.

Die User – also Schüler und Lehrer – sind begeistert. Umsetzen muss es schlussendlich aber die Politik mit den Buchverlagen, richtig?
Ja, und da ist der nächste Haken: Wir sind auch mit Buchverlagen in Kontakt, das freut uns und ich hoffe, demnächst werden Kooperationen folgen. Allerdings ist es auch bei Buchverlagen so, dass fast kein Budget für etwas Neues zur Verfügung steht. Die meisten versuchen gerade, in e-Education zu investieren, wo man weiß, das wird in Österreich erst in den nächsten 100 Jahren vielleicht in Gange kommen.

Das sind aber jetzt sehr düstere Aussichten …
In Österreich werden Printmedien meiner Meinung nach nie aussterben, weil die Bürokratie sehr stark ist und Print sehr wichtig ist. Viele setzen auf das andere und nicht auf das Bestehende – dabei gibt es Bücher ja schon, die werden ja schon gedruckt. Man sollte auf Bücher setzen und sagen: Okay, wir geben den Schülern Mehrwert. Es wird aber nicht an die Schüler gedacht, sondern eher an sich selbst – also wie bringe ich die Lehrer dazu, mein Buch besser zu kaufen, damit das für mich so kostengünstig wie möglich ist. Das ist für uns der falsche Ansatz. Es war von Anfang an unsere Devise, dass Schüler nicht für den Inhalt, den wir produzieren, zahlen dürfen.

Dazu müsste sich ganz grundsätzlich etwas ändern, müssten die ausgetrampelten Pfade verlassen werden …
Ganz genau. Aber wir wissen, wie schwierig Veränderungen generell für Menschen sind. Wir haben eine Lösung, die das Ganze einerseits revolutioniert und andererseits genau in die andere Richtung geht. Uns ist klar, dass da viele nicht mitmachen wollen. Wir haben festgestellt: Die Lehrer wollen es, die Direktoren wollen es, die Schüler sowieso. Diese Gruppen wollen wir ansprechen – und die Eltern, die mit ihren Kindern zu Hause sitzen, lernen und nichts verstehen. Dann spielen sie die App aufs Handy oder Tablet und sehen: Aha, so funktioniert das Lernen!

Wo sehen Sie sich und AMLOGY in zehn Jahren?
Das ist schwer zu sagen – ich bin eher ein Mensch, der heute und jetzt lebt. Ich versuche schon, ein bisschen zu planen, aber nicht so wirklich. Was ich auf jeden Fall in zehn Jahren haben möchte, ist, dass wir Österreich zu einem super innovativen Land gemacht haben, mit der Technologie ganz weit vorne sind.

Was sind Ihre persönlichen Werte im Leben? Was ist Ihnen wichtig?
Meine Werte sind vor allem: Einer für alle, alle für einen! Es geht wirklich darum: Wenn jemand Hilfe braucht, dann bekommt er sie. Ich wurde selbst sehr viel nach vorne gepusht, mir wurde sehr geholfen und das möchte ich weitergeben. Hilfe leisten und Hilfe bekommen.

Das gefällt mir! Wobei ich mir vorstellen kann, dass man Ihnen mit einer gewissen Portion Skepsis begegnet, weil diese Einstellung leider nicht selbstverständlich ist …
Stimmt. Man darf aber nicht helfen, weil man sich etwas erwartet. Ich leiste nie Hilfe, weil ich mir denke: Okay, da kommt jetzt auch was in den nächsten zwei Wochen retour, sondern ich mach’s, weil ich’s machen will.

Was treibt Sie an? Was ist Ihr Motivationsrezept?
Das was man macht, zu lieben. Versuchen, etwas zu verändern, zu bewegen, etwas Großes zu schaffen. Und die Familie, Freunde, meine Freundin, meine kleine Schwester. Es freut einen vor allem, wenn die Familie stolz auf einen ist und das motiviert schon ganz stark.

Sie sind mit Firma und Studium ziemlich im Einsatz – haben Sie auch Hobbys?
Ich hatte (lacht). Jetzt habe ich nicht mehr die Zeit und auch weniger Power dafür. Mit dem Studium pausiere ich seit dem Semester, das verschafft mir ein bisschen mehr Zeit. Andererseits bin ich auch beim Heurigen als Kellner, das ist meine Abwechslung.

Sie haben mit AMLOGY schon an vielen Wettbewerben und Challenges teilgenommen wie z.B. von A1 Austrias next Top StartUp, wo Sie unter die Top 5 gekommen sind – was hat’s bis jetzt gebracht?
Fakt ist: Wir haben noch nie wirklich was gewonnen in Form eines Preises. Was wir immer gewonnen haben sind einerseits Menschen, die davon fasziniert waren, andererseits Kunden, die gesagt haben: Hey, das ist ja genial, das können wir auch einsetzen! Und ein Image, das nicht mehr so leicht wegfallen wird, mittlerweile kennen so viele Leute AMLOGY. Weil ich überall vertreten bin, ich trete bei jedem Event auf und stelle uns auch gerne vor. Die Menschen erkennen uns wieder, weil wir überall präsent sind.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie mittlerweile?
In Wien sind wir sechs Leute plus ein paar Mentoren, die das Ganze unterstützen. Und dann haben wir auch noch Arloopa als Partner an unserer Seite mit einem Team von 25 Leuten.

Weil das Thema Bildung und Schule Ihr Herzenprojekt ist: Wir sind jetzt am Ende der Stunde – was wollen Sie uns abschließend mit auf den Weg geben?
Was ich rüberbringen will: Dass Menschen aus ihrer Komfortzone rauskommen und etwas bewegen sollten, also wirklich machen. Nicht nur reden, dass es super wäre, wenn jemand macht, sondern selbst wirklich was auf die Beine stellen und durchziehen. So wie wir das machen. Wir haben alles investiert, alles verkauft, was wir bis jetzt hatten. Wir haben ein schönes Auto gehabt, das haben wir verkauft und eines gekauft, mit dem man von A nach B kommt, und das Geld, das wir dazwischen gehabt haben, einfach investiert, damit wir etwas bewegen, ohne Gewissheit auf Erfolg. Es steckt sehr viel Risiko dahinter. Wir machen es einfach, weil wir etwas machen wollen und etwas bewegen wollen.

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